Journal

26.10.2016

Wesentliche Inhalte der Änderung, Ziele

Am 01.10.2016 trat die Änderung des Brandenburgischen Gesetzes über Mindestanforderungen für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen (Brandenburgisches Vergabegesetz – BbgVergG) in Kraft. Mit der Änderung verfolgte der Gesetzgeber neben der Anhebung des Mindestentgelts auf 9,00 € noch weitere Ziele. So sollte das Gesetz übersichtlicher und strukturierter gestaltet werden, die Anwendbarkeit einfacher geregelt werden und eine Synchronisierung mit dem bundesweiten Mindestlohn (MiLoG) nach dem Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns erreicht werden. Durch verschiedene Verweise auf das GWB und die Vergabeverordnung sollten Vereinfachungen im Bereich oberhalb der Schwellenwerte auch für die Unterschwellenvergabe für anwendbar erklärt werden.

Erweiterte Pflichten z. B. für kommunale Gesellschaften

Dadurch, dass nunmehr wesentliche Vergabegrundsätze im Brandenburgischen Vergabegesetz selbst geregelt sind (z. B. die Transparenz), gelten erweiterte Pflichten
z. B. für kommunale Gesellschaften, die in den Anwendungsbereich des Brandenburgischen Vergabegesetzes einbezogen sind, nicht aber in den der Gemeindehaushaltsverordnung. Nur dort war bislang der Grundsatz der Transparenz geregelt. Aus diesem wird insbesondere die Pflicht hergeleitet, eine beabsichtigte Auftragsvergabe zuvor in geeigneten Medien bekanntzugeben, sodass Interessenten sich bewerben können. Ohne entsprechende landesrechtliche Regelung wird eine solche Transparenz-Pflicht unterhalb der Schwellenwerte allgemein nur bei binnenmarktrelevanten Aufträgen angenommen.

Neuer Anwendungsbereich

Der persönliche und sachliche Anwendungsbereich des Vergabegesetzes ist anders und einfacher als zuvor geregelt worden. Das Gesetz ist anwendbar, wenn

  • ein öffentlicher Auftraggeber im Land Brandenburg
  • einen öffentlichen Auftrag
  • oberhalb einer definierten Wertgrenze

vergibt.

Die Wertgrenze ist nunmehr einheitlich mit netto 3.000 € festgelegt. Öffentliche Aufträge im Sinne des Brandenburgischen Vergabegesetzes sind in § 2 Abs. 2 unter Verweis auf das GWB näher definiert und umfassen insbesondere auch Konzessionen, für deren Vergabe es unterhalb der Schwellenwerte bislang keine landesrechtlichen Vorgaben gab. In § 2 Abs. 3 sind klarer als bislang auch kommunale Auftraggeber in den Anwendungsbereich einbezogen. Während es bislang „öffentliche Auftraggeber des Landes Brandenburg“ hieß, sind nun öffentliche Auftraggeber „im“ Land Brandenburg angesprochen. Zuwendungsempfänger müssen das Gesetz nicht mehr bereits anwenden, soweit sie für die Auftragsvergabe die Vergabe- und Vertragsordnungen einzuhalten haben, sondern erst, wenn explizit die Anwendung des Brandenburgischen Vergabegesetzes in den Zuwendungsbescheiden angeordnet ist.

Erweiterte Vergabegrundsätze

In § 3 sind nunmehr die Grundsätze der Vergabe geregelt, wie sie oberhalb der Schwellenwerte gelten: Die Vergabe im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren, der Gleichbehandlungsgrundsatz sowie die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit. In der Gesetzesbegründung geht der Gesetzgeber irrig davon aus, lediglich Grundsätze festzuschreiben, die ohnehin gelten. Dies wird aus „der gefestigten Spruchpraxis der EU-Kommission sowie der Entscheidungspraxis des EuGH zur Binnenmarktrelevanz öffentlicher Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte“ hergeleitet (Landtag Brandenburg, Drucksache 6/4249, Seite 3). Indes ist bei weitem nicht jeder Auftrag, der einen Wert von 3.000 € erreicht, binnenmarktrelevant.

Neuerungen beim Mindestlohn

Durch das Änderungsgesetz ist nicht nur der Mindestlohn auf 9,00 € je Zeitstunde angehoben worden, sondern auch eine Regelung zu dessen Berechnung eingefügt worden. Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Brandenburgisches Vergabegesetz muss das Mindestentgelt dem regelmäßig gezahlten Grundentgelt für eine Zeitstunde ohne Sonderzahlungen, Zulagen oder Zuschläge entsprechen. Dies weicht von der Berechnung des Mindestlohns, wie sie nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Anwendungsbereich des MiLoG durchzuführen ist, ab. Dort fließen Sonderzahlungen in die Berechnung ein.

Die Regelungen zum Mindestentgelt finden jedoch keine Anwendung, wenn für die zu beschaffenden Leistungen bereits durch das Mindestlohngesetz, aufgrund des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder durch weitere, näher genannte gesetzliche Bestimmungen über Mindestentgelte ein mindestens gleich hohes Mindestentgelt definiert ist.

Wie der Vergleich des Brandenburgischen Mindestlohns mit auf Bundesrecht beruhenden Mindestlohnregelungen erfolgen soll, wenn für den Mindestlohn nach Brandenburgischen Vergabegesetz einerseits und den Mindestlohnregelungen im Übrigen nach der Rechtsprechung des BAG unterschiedliche Berechnungsweisen gelten, ist unklar. Bei dem vor einer Vergabe nur möglichen abstrakten Vergleich wird nur auf die bloßen Zahlenwerte abgestellt werden können. Dann aber erhalten Arbeitnehmer, die auf Bundesrecht beruhenden Mindestlohnregelungen unterliegen, unter Umständen kein Grundentgelt von 9 €/h, sondern erreichen diesen Stundenlohn erst unter Einschluss von Sonderzahlungen etc., während nicht anderweitig geschützte Arbeitnehmer bei Ausführung von öffentlichen Aufträgen in Brandenburg 9 €/h Grundentgelt erhalten.

Angleichung an die Oberschwellenregelungen

§ 4 übernimmt wesentliche Regelungen aus dem Oberschwellenbereich für die Unterschwellenvergaben, wobei dies keineswegs nur Erleichterungen sind. Bemerkenswert ist, dass hier in zahlreichen Punkte von der nach Haushaltsrecht anzuwendenden VOL/A abgewichen wird, wohl bereits im Vorgriff auf die Unterschwellenvergabeordnung, die im Entwurf vorliegt (siehe dazu den Artikel „Diskussionsentwurf zur Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) liegt vor“) und künftig die VOL/A ablösen soll. Öffentliche Auftraggeber werden daher sehr sorgfältig prüfen müssen, inwieweit sich aus dem Brandenburgischen Vergabegesetz von der VOL/A abweichende Verpflichtungen ergeben.

Aus dem Oberschwellenbereich übernommene Erleichterungen sind z. B.:

  • Vergaberechts-Ausnahmen, etwa das Inhouse-Geschäft,
  • die Möglichkeit, Aufträge anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen vorzubehalten,
  • die freie Wahl zwischen öffentlicher Ausschreibung und beschränkter Ausschreibung nach vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb,
  • die Möglichkeit der Nutzung dynamischer Beschaffungssysteme,
  • die Möglichkeit zur Nutzung zentraler Beschaffungsstellen und
  • Erleichterungen für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen über soziale und andere Dienstleistungen.

Allerdings werden auch andere Vorschriften übernommen, etwa

  • zu zwingenden und fakultativen Ausschlussgründen,
  • zur Selbstreinigung,
  • zum Zuschlag und zu den Zuschlagskriterien,
  • zu Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit,
  • zur Eignung und
  • zum Umgang mit ungewöhnlich niedrigen Angeboten.

Diese sind teils strenger als das bisherige Unterschwellen-Recht. Durch die Übernahme der Vorschrift zu Zuschlagskriterien muss z. B. unterhalb der Schwellenwerte nun auch zwingend die Gewichtung der Zuschlagskriterien angegeben werden. Desweiteren ist z. B. nach der für anwendbar erklärten Vorschrift des § 123 Abs. 4 Nr. 1 GWB ein zwingender, kein fakultativer Ausschlussgrund mehr gegeben, wenn ein Unternehmen seinen Verpflichtungen zur Zahlung von Steuern, Abgaben oder Beiträgen zur Sozialversicherung nicht nachgekommen ist. Die VOL/A, 1. Abschnitt, sieht in § 6 Abs. 5 d VOL/A hier nur einen fakultativen Ausschluss vor.

Verwirrend ist vor diesem Hintergrund die Regelung in § 4 Abs. 3 BbgVergG. Danach hat  zwar die freie Wahl des Auftraggebers zwischen öffentlicher Ausschreibung und beschränkter Ausschreibung nach Teilnahmewettbewerb Vorrang vor abweichenden Regelungen aus dem Haushaltsrecht. Im Übrigen soll das Haushaltsrecht, insbesondere zur Beachtung des 1. Abschnitts der VOL/A und VOB/A,  jedoch unberührt bleiben. Wie sich damit die explizite Anordnung verträgt, Oberschwellenregelungen anzuwenden, die von denen der VOL/A, 1. Abschnitt abweichen, ist fraglich.

Eignung

Neu ist das Verbot, die Pflicht zur Anerkennung einer Präqualifikation dadurch zu umgehen, dass an Inhalt oder Aktualität der Nachweise strengere Anforderungen gestellt werden, als sie für die Eintragung des Unternehmens in ein entsprechendes Verzeichnis vorgesehen sind (§ 6 BbgVergG). Daraus ist u. E. nicht zu schließen, dass nicht weitere Nachweise verlangt werden dürfen, wie etwa eine Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb. Nur dürfen z. B. nicht aktuellere Unbedenklichkeits-bescheinigungen gefordert werden, als bei der Präqualifikation hinterlegt sind.

Die Einheitliche Europäische Eigenerklärung kann der Auftraggeber nach seiner Wahl auch unterhalb der Schwellenwerte entsprechend anwenden.

Vereinfachte Kostenerstattung

Schließlich ist die Kostenerstattung für den Verwaltungsaufwand, den Kommunen mit der Anwendung der Mindestentgeltregelungen des Vergabegesetzes haben, nunmehr pauschaliert und damit vereinfacht worden.

Fazit, Ausblick

Insgesamt ist festzustellen, dass die deutlichen Änderungen des Vergabegesetzes nicht nur Vereinfachungen für den Anwender mit sich bringen, sondern die Unterschwellenvergabe vielfach auch komplizierter machen. Sobald die Unterschwellenvergabeordnung in der Endfassung vorliegt, ist eine weitere Gesetzesänderung zu erwarten. Es wird sich zeigen, ob das Land Brandenburg sich auch dann wieder entscheiden wird, teilweise von der Unterschwellenvergabeordnung abzuweichen.