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13.09.2023

Das OLG Rostock hat mit Beschluss vom 02.08.2023 (3 U 37/22) entschieden, dass Nutzungsverträge für Windenergie, die AGB des Nutzers sind, Eigentümer nicht auf potenziell unbegrenzte Zeit binden dürfen.

Die streitgegenständliche Bestimmung regelte das Recht des Eigentümers, den Nutzungsvertrag zu kündigen, wenn innerhalb von 4 Jahren nach Vertragsschluss kein Baubeginn für die geplante Windenergieanlage (WEA) erfolgt. Nach Satz 2 der Bestimmung war das Kündigungsrecht jedoch ausgeschlossen, „wenn die Verspätung auf Verzögerungen im Raumordnung-, Bauleit- oder Genehmigungsverfahren beruht“. Im entschiedenen Sachverhalt wurde die planungsrechtliche Zulässigkeit des WEA-Vorhabens erst innerhalb der vertragsgegenständlichen 4 Jahresfrist herbeigeführt. Innerhalb der Frist erfolgte jedoch kein Baubeginn. Der Eigentümer kündigte.

Das Landgericht hatte die (Feststellungs-)Klage des klagenden Nutzers (WEA-Unternehmen) noch aus dem Grund abgewiesen, dass dieser nicht alles Mögliche getan hatte, um den Baubeginn innerhalb der 4-Jahresfrist zu ermöglichen (konkret ging es um die Anfertigung von naturschutzfachlichen Gutachten).

Das OLG wies die Klage jedoch bereits wegen Unwirksamkeit des Kündigungsausschlusses ab. Dieser führe zu einer potentiell unbegrenzten und entgeltlosen Vertragslaufzeit vor dem Eintritt der eigentlichen Bedingung (Baubeginn), auf die der Eigentümer nicht den geringsten Einfluss habe. Erschwerend komme hinzu, dass für das Grundstück zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch kein Planungsrecht bestand und sich dieses in einem Ausschlussbereich für Windenergienutzung befand, sodass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses völlig ungewiss war, ob es jemals zur Errichtung der WEA kommen würde.

In Nutzungsverträgen für Windenergie wird meist das eigentliche Nutzungsentgelt erst mit Inbetriebnahme geschuldet, weil der Nutzer vorher keine Einnahmen erzielt. Die Zeit zwischen Vertragsschluss und Inbetriebnahme ist eine „Projektierungsphase“. Um diese zeitlich zu beschränken, sehen die Verträge regelmäßig vor, dass der Grundstückseigentümer sich vom Vertrag lösen kann (z. B. durch ein Rücktritts- oder ein Kündigungsrecht), wenn innerhalb einer bestimmten Frist ("Wartezeit" oder "Bereitstellungsfrist", diese beträgt meist 5 Jahre, im entschiedenen Fall betrug sie 4 Jahre) eine bestimmte Voraussetzung (meist Baubeginn, Genehmigungserteilung oder Inbetriebnahme) nicht eintrifft. Dadurch soll ein angemessener Ausgleich der Interessen des Nutzers einerseits und des Grundstückseigentümers andererseits gewährleistet sein. Immer wieder zitiert wird in diesem Zusammenhang das Urteil des OLG Brandenburg vom 30.03.2011 (3 U 113/10), wonach die Bemessung der Wartezeit mit 5 Jahren einen angemessenen Interessenausgleich herstellt. Das OLG Brandenburg hatte die erheblichen Investitionen des Projektierers sowie die Dauer der Genehmigungsverfahren betont. Teilweise wird in den Nutzungsverträgen während der Wartezeit/Bereitstellungsfrist ein Bereitstellungsentgelt zu Gunsten des Grundstückseigentümers vereinbart, das jedoch wesentlich hinter den Einnahmen zurückbleibt, die er nach Inbetriebnahme der WEA zu erwarten hat.

Der Beschluss des OLG Rostock könnte Auswirkungen für eine Vielzahl bereits abgeschlossener Nutzungsverträge haben und sollte bei der Ausgestaltung künftig abzuschließender Verträge berücksichtigt werden. Grundsätzlich ist bei der formularmäßigen Verlängerung der vereinbarten Wartezeit/Bereitstellungsfrist Vorsicht geboten, wenn der Eigentümer auf diese Verlängerung keinen Einfluss hat. Solche Verlängerungsklauseln sind in WEA-Nutzungsverträgen häufig zu finden, z.B. in der Weise, dass bei Genehmigungsversagung das Rücktrittsrecht ausgeschlossen ist, solange ein Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren anhängig ist. Das OLG Karlsruhe hatte mit Entscheidung vom 25.04.2018 (14 U 217/17) eine solche Verlängerung noch für unschädlich gehalten.

WMRC Rechtsanwälte haben den Grundstückseigentümer im Klageverfahren erfolgreich vertreten.