Verfahren vor dem OLG Rostock: Wartezeit/Bereitstellungsfrist bei Nutzungs­ver­trägen für Windenergie

Das OLG Rostock hat mit Beschluss vom 02.08.2023 (3 U 37/22) entschieden, dass Nutzungs­ver­träge für Windenergie, die AGB des Nutzers sind, Eigen­tümer nicht auf poten­ziell unbegrenzte Zeit binden dürfen.

Die streit­ge­gen­ständ­liche Bestim­mung regelte das Recht des Eigen­tü­mers, den Nutzungs­ver­trag zu kündigen, wenn inner­halb von 4 Jahren nach Vertrags­schluss kein Baube­ginn für die geplante Windener­gie­an­lage (WEA) erfolgt. Nach Satz 2 der Bestim­mung war das Kündi­gungs­recht jedoch ausge­schlossen, „wenn die Verspä­tung auf Verzö­ge­rungen im Raumordnung‑, Bauleit- oder Geneh­mi­gungs­ver­fahren beruht“. Im entschie­denen Sachver­halt wurde die planungs­recht­liche Zuläs­sig­keit des WEA-Vorhabens erst inner­halb der vertrags­ge­gen­ständ­li­chen 4 Jahres­frist herbei­ge­führt. Inner­halb der Frist erfolgte jedoch kein Baube­ginn. Der Eigen­tümer kündigte.

Das Landge­richt hatte die (Feststellungs-)Klage des klagenden Nutzers (WEA-Unternehmen) noch aus dem Grund abgewiesen, dass dieser nicht alles Mögliche getan hatte, um den Baube­ginn inner­halb der 4‑Jahresfrist zu ermög­li­chen (konkret ging es um die Anfer­ti­gung von natur­schutz­fach­li­chen Gutachten).

Das OLG wies die Klage jedoch bereits wegen Unwirk­sam­keit des Kündi­gungs­aus­schlusses ab. Dieser führe zu einer poten­tiell unbegrenzten und entgelt­losen Vertrags­lauf­zeit vor dem Eintritt der eigent­li­chen Bedin­gung (Baube­ginn), auf die der Eigen­tümer nicht den geringsten Einfluss habe. Erschwe­rend komme hinzu, dass für das Grund­stück zum Zeitpunkt des Vertrags­schlusses noch kein Planungsrecht bestand und sich dieses in einem Ausschluss­be­reich für Windener­gie­nut­zung befand, sodass zum Zeitpunkt des Vertrags­schlusses völlig ungewiss war, ob es jemals zur Errich­tung der WEA kommen würde.

In Nutzungs­ver­trägen für Windenergie wird meist das eigent­liche Nutzungs­ent­gelt erst mit Inbetrieb­nahme geschuldet, weil der Nutzer vorher keine Einnahmen erzielt. Die Zeit zwischen Vertrags­schluss und Inbetrieb­nahme ist eine „Projek­tie­rungs­phase“. Um diese zeitlich zu beschränken, sehen die Verträge regel­mäßig vor, dass der Grund­stücks­ei­gen­tümer sich vom Vertrag lösen kann (z. B. durch ein Rücktritts- oder ein Kündi­gungs­recht), wenn inner­halb einer bestimmten Frist („Warte­zeit“ oder „Bereit­stel­lungs­frist“, diese beträgt meist 5 Jahre, im entschie­denen Fall betrug sie 4 Jahre) eine bestimmte Voraus­set­zung (meist Baube­ginn, Geneh­mi­gungs­er­tei­lung oder Inbetrieb­nahme) nicht eintrifft. Dadurch soll ein angemes­sener Ausgleich der Inter­essen des Nutzers einer­seits und des Grund­stücks­ei­gen­tü­mers anderer­seits gewähr­leistet sein. Immer wieder zitiert wird in diesem Zusam­men­hang das Urteil des OLG Branden­burg vom 30.03.2011 (3 U 113/10), wonach die Bemes­sung der Warte­zeit mit 5 Jahren einen angemes­senen Inter­es­sen­aus­gleich herstellt. Das OLG Branden­burg hatte die erheb­li­chen Inves­ti­tionen des Projek­tie­rers sowie die Dauer der Geneh­mi­gungs­ver­fahren betont. Teilweise wird in den Nutzungs­ver­trägen während der Wartezeit/Bereitstellungsfrist ein Bereit­stel­lungs­ent­gelt zu Gunsten des Grund­stücks­ei­gen­tü­mers verein­bart, das jedoch wesent­lich hinter den Einnahmen zurück­bleibt, die er nach Inbetrieb­nahme der WEA zu erwarten hat.

Der Beschluss des OLG Rostock könnte Auswir­kungen für eine Vielzahl bereits abgeschlos­sener Nutzungs­ver­träge haben und sollte bei der Ausge­stal­tung künftig abzuschlie­ßender Verträge berück­sich­tigt werden. Grund­sätz­lich ist bei der formu­lar­mä­ßigen Verlän­ge­rung der verein­barten Wartezeit/Bereitstellungsfrist Vorsicht geboten, wenn der Eigen­tümer auf diese Verlän­ge­rung keinen Einfluss hat. Solche Verlän­ge­rungs­klau­seln sind in WEA-Nutzungsverträgen häufig zu finden, z.B. in der Weise, dass bei Geneh­mi­gungs­ver­sa­gung das Rücktritts­recht ausge­schlossen ist, solange ein Widerspruchs- oder Gerichts­ver­fahren anhängig ist. Das OLG Karls­ruhe hatte mit Entschei­dung vom 25.04.2018 (14 U 217/17) eine solche Verlän­ge­rung noch für unschäd­lich gehalten.

WMRC Rechts­an­wälte haben den Grund­stücks­ei­gen­tümer im Klage­ver­fahren erfolg­reich vertreten.