BGH zu Schadensersatz im kreuzungsrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 28. November 2024 (III ZR 20/23) zu Schadensersatzansprüchen im (eisenbahn-)kreuzungsrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis entschieden.
Das klagende Land nahm als Träger der Straßenbaulast für eine Landesstraße das beklagte Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) auf Erstattung von Kosten einer Baumaßnahme an einem Bahnübergang in Anspruch. Das EIU ließ an einem Bahnübergang Arbeiten vornehmen. Nach Abschluss der Arbeiten machte der Straßenbaulastträger geltend, dass durch diese Baumaßnahme eine Gefährdung des den Bahnübergang kreuzenden Straßenverkehrs entstanden sei. Seiner Aufforderung, einen erneuten Umbau vorzunehmen, kam das EIU nicht nach, da der Zustand – nach seiner Einschätzung – dem Stand der Technik entspreche. Der Straßenbaulastträger führte die – nach seiner Ansicht – zur Beseitigung des verkehrsgefährdenden Zustands erforderlichen Baumaßnahmen selbst durch. Die Kosten der Maßnahme bezifferte er auf 447.652,24 €.
Der BGH hob das klageabweisende Urteil auf und wies die Sache an das Berufungsgericht zurück.
Nach Ansicht des BGH könne auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen weder ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB noch auf (anteilige) Kostenerstattung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 EKrG, § 3 Nr. 3 Var. 4 EKrG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 der Ersten Eisenbahnkreuzungsverordnung (1. EKrV) ausgeschlossen werden.
Der BGH ging davon aus, dass das EIU das zwischen den Kreuzungsbeteiligten bestehende Gemeinschaftsrechtsverhältnis verletzt hat, indem es an der Kreuzung einen verkehrsgefährdenden Zustand geschaffen hat (Aufsetzen von Fahrzeugen am Bahnübergang).
Zur Erfüllung seiner Erhaltungspflichten kann ein Kreuzungsbeteiligter zwar Maßnahmen an dem von ihm verantworteten Verkehrsweg ohne Zustimmung des anderen durchführen. Dafür trifft ihn in diesem Fall aber erst recht die Verpflichtung, auf die berechtigten Belange des anderen Kreuzungsbeteiligten Rücksicht zu nehmen. Dies schließt insbesondere ein, dass Baumaßnahmen an der einen Anlage nicht eine Verkehrsgefährdung durch die Anlagen des anderen Kreuzungsbeteiligten verursachen dürfen. Das folgt schon daraus, dass die Schaffung einer kreuzungsbedingten Gefährdung eine (gemeinsame) Verpflichtung zu deren Beseitigung entstehen lässt. Die schuldhafte Verletzung von Pflichten aus dem kreuzungsrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis begründet einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Dem Straßenbaulastträger ist durch eine Pflichtverletzung des EIU ein Schaden entstanden. Er ist danach – ungeachtet der Frage des Eigentums an dem Kreuzungsgrundstück – zumindest als unmittelbarer Besitzer berechtigt, die Aufwendungen ersetzt zu verlangen, die zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit der Eisenbahnkreuzung erforderlich waren. Ihn traf als Träger der Straßenbaulast die Unterhaltungspflicht für die Straße. Er war daher verpflichtet, die Verkehrsgefährdung zu beseitigen, und konnte hierzu eine Maßnahme nach § 3 EKrG durchführen.
Auch ein Anspruch des Straßenbaulastträgers auf anteilige Kostenerstattung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 EKrG lässt sich nach dem BGH nicht ohne Weiteres verneinen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist eine Maßnahme nach § 3 EKrG bereits dann durchzuführen, wenn die Sicherheit des Verkehrs eine Änderung erfordert, weil an der Kreuzung eine Gefahrensituation gegeben ist, deren Beseitigung geboten ist. Dabei spielt es keine Rolle, wodurch die Gefahrenlage entstanden ist. Durch seinen Wortlaut bringt § 3 EKrG klar zum Ausdruck, dass es Kreuzungsmaßnahmen geben kann, die nur der Sicherheit dienen, ohne zugleich die Abwicklung des Verkehrs zu verbessern oder durch geänderte Verkehrsbedürfnisse bedingt zu sein.
Der BGH veröffentlicht eher selten Entscheidungen zum Eisenbahnkreuzungsrecht, umso höher ist Aufmerksamkeit. Zwar hat der BGH diesen Fall nicht abschließend entschieden, doch hat das Gericht wichtige und bleibende Aussagen zum Verhältnis der Kreuzungsbeteiligten getroffen, an denen sich die Praktiker bei (Eisenbahn-) Kreuzungsmaßnahmen orientieren können.