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06.01.2021

Auftraggeber wissen bei Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte, dass sie vor Zuschlagserteilung die unterlegenen Bieter informieren und eine Wartefrist einhalten müssen – so sieht es das im GWB geregelte sog. Kartellvergaberecht vor. Diese Wartefrist ermöglicht es den Bietern, ggf. rechtzeitig ein Nachprüfungsverfahren gegen die Vergabe einzuleiten. Unterhalb der Schwellenwerte ist eine solche Warte-Pflicht nur in einigen Bundesländern geregelt – obwohl Bieter nach der Rechtsprechung gerichtliche Eilverfahren gegen einen bevorstehenden Zuschlag auch in solchen Vergaben anstrengen können. Führt das zu einer Wartepflicht unterhalb der Schwellenwerte auch ohne ausdrückliche Regelung, damit dieser Rechtsschutz nicht durch die Schaffung vollendeter Tatsachen vereitelt werden kann? – Hierzu gab es im vergangenen Jahr interessante Entscheidungen:

 

Mitteilungs- und Wartepflicht nach § 134 GWB oberhalb der Schwellenwerte

Die oberhalb der Schwellenwerte geltende Vorschrift des § 134 GWB bestimmt, dass öffentliche Auftraggeber die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform zu informieren haben. Ein Vertrag darf erst 15 Kalendertage nach Absendung dieser Information geschlossen werden. Diese Norm gilt für alle Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte. Verstößt der Auftraggeber gegen diese Pflichten, ist der Auftrag nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB unwirksam.  

 

Mitteilungs- und Wartepflicht im Unterschwellenvergabebereich

Auch im Unterschwellenvergabebereich gelten Mitteilungspflichten. Nach § 46 Abs. 1 S. 1 UVgO teilt der Auftraggeber jedem Bewerber und jedem Bieter unverzüglich seine Entscheidung über den Abschluss einer Rahmenvereinbarung oder die Zuschlagserteilung mit. Eine Verpflichtung zur Information des unberücksichtigten Bieters rechtzeitig vor Zuschlagserteilung ist dem Wortlaut der Norm jedoch nicht zu entnehmen.

Das OLG Düsseldorf hält dies indes nach einer Entscheidung aus 2017 für notwendig, um effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, und hat vor Ablauf einer Wartefrist geschlossene Verträge aus § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein ungeschriebenes Gesetz (!) für nichtig erachtet (Beschl. v. 12.12.2017, I-27 U 25/17).

Dem widerspricht das Kammergericht Berlin (Urteil vom 07.01.2020, 9 U 79/19) Zur Begründung führt es aus, dass § 134 GWB als kartellvergaberechtliche Sondervorschrift nicht analogiefähig sei, weil sonst die noch einmal durch § 46 Abs. 1 UVgO bestätigte gesetzgeberische Entscheidung, eine Regelung nur für den genau abgesteckten Bereich des Kartellvergaberechts einzuführen, unterlaufen würde. Dass für unterschwellige Vergabeverfahren eine solche Regelung nicht vorgesehen ist, sei im Übrigen nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus 2006 verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, so dass weder aus Art. 3 GG noch sonst ein Verbot des Vertragsschlusses vor Mitteilung der Zuschlagsentscheidung an andere Teilnehmer eines Vergabeverfahrens abzuleiten sei. Auf europarechtlicher Grundlage ließen sich eine Mitteilungs- und Wartepflicht zwar aus dem europäischen Primärrecht herleiten, allerdings nur für Aufträge, bei denen der Auftraggeber eine Binnenmarktrelevanz festgestellt hat Diese setze voraus, dass an dem Auftrag ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht. Selbst wenn eine Mitteilungs- und Wartepflicht bestünde, begründe ein einseitiger Verstoß des Auftraggebers hiergegen zudem keine Nichtigkeit nach § 134 BGB.

Fast zeitgleich hat das OLG Celle mit ähnlichen Argumenten eine Informations- und Wartepflicht unterhalb der Schwellenwerte abgelehnt und sich hierbei auch auch umfängliche Kritik der Literatur an der Entscheidung des OLG Düsseldorf bezogen (Urt. v. 09.01.2020, 13 W 56/19 , juris).

 

Empfehlung

Zumindest Auftraggeber, für deren Vergaben keine Zuständigkeit des OLG Düsseldorf besteht, können bei Unterschwellenvergaben guten Gewissens weiterhin auf eine Information und Wartefrist vor Zuschlagserteilung verzichten (sofern sie nicht durch entsprechende landesrechtliche Vorschriften hierzu verpflichtet werden).