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25.05.2016

Das OVG Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 06.05.2016 (OVG 10 S 16.15) einen Antrag auf einstweilige Aussetzung des Landesentwicklungsplans Berlin-Brandenburg (LEP-BB) abgelehnt. Der Landesentwicklungsplan war im sog. „Ergänzenden Verfahren“ mit Rechtsverordnung vom 27.05.2015 rückwirkend zum 15.05.2009 in Kraft getreten, nachdem das OVG den ursprünglichen LEP-BB wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot mit Urteil vom 16.06.2014 für unwirksam erklärt hatte (OVG 10 A 8.10). Ein Urteil ist noch nicht ergangen. Das OVG hat deshalb über die Wirksamkeit des LEP-BB nur vorläufig entschieden.

Die Frage der Wirksamkeit des LEP-BB hat erhebliche Auswirkungen auf die Windenergiebranche im Land Brandenburg. Denn die aus dem LEP-BB entwickelten (Teil-) Regionalpläne setzen Windeignungsgebiete fest, außerhalb derer die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen unzulässig ist. Bislang ist ein Regionalplan mit Festlegungen zur Windenergienutzung in Kraft getreten (Havelland-Fläming). Die übrigen vier (Teil-) Regionalpläne, bzw. deren Fortschreibungen, befinden sich im Aufstellungsverfahren. Dieses ist für den sachlichen Teilregionalplan „Windenergienutzung der Region Lausitz-Spreewald“ bereits so weit fortgeschritten, dass nur dessen Bekanntmachung noch aussteht.

Die Regionalpläne wären wegen eines Verstoßes gegen das raumordnungsrechtliche Entwicklungsgebot (§ 8 Abs. 2 ROG) unwirksam, wenn der LEP-BB seinerseits unwirksam ist. Dann würde sich die Zulässigkeit von Windenergieanlagen im Außenbereich nach der kommunalen Bauleitplanung (insbesondere: Flächennutzungspläne) richten. Die Vorstellungen der Gemeinden zur Zulässigkeit der Windenergie in ihren Gemeindegebieten weichen zum Teil erheblich von den Vorstellungen der regionalen Planungsgemeinschaften ab, die für die Aufstellung der Regionalpläne zuständig sind.

Die rechtlichen Inhalte des OVG-Beschlusses sind äußerst kompliziert und können hier nur verkürzt und vereinfacht dargestellt werden. Hervorzuheben ist insbesondere, dass das OVG – anders als noch das VG Potsdam im Urteil vom 11.09.2015 (VG 4 K 2915/14) - nicht von einer fehlenden Ermächtigungsgrundlage für die Abweichung vom gesetzlichen Planungsziel des § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Landesplanungsgesetzes in der Fassung vom 2002 ausging. Nach diesem gesetzlichen Planungsziel war von einer Stufung in Oberzentren, Mittelzentren und Grundzentren auszugehen. Hiervon weicht der LEP-BB ab. Das Landesplanungsgesetz sah als Ermächtigungsgrundlage für diese Abweichung § 3 Abs. 2 des Landesplanungsgesetzes 2002 vor. Diese Vorschrift war nach den Ausführungen des OVG im Urteil vom 16.06.2014 ihrerseits verfassungswidrig. Auf diese Verfassungswidrigkeit kommt es nach Ansicht des OVG jedoch nicht an. Zwar sei für die Abwägungsentscheidung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der ursprünglichen Beschlussfassung (2009) maßgeblich. Für die Beurteilung der Frage, auf welche Ermächtigungsgrundlage der LEP-BB sich stützen müsse, komme es hingegen auf den Zeitpunkt der Verkündung der Rechtsverordnung vom 02.06.2015 an. Da das gesetzliche Planungsziel (Stufung in Oberzentren, Mittelzentren und Grundzentren) im Jahr 2011 außer Kraft getreten war, bedürfe es für die Abweichung von diesem Planungsziel der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 3 Abs. 2 des Landesplanungsgesetzes 2002 nicht mehr.

WMRC hatte das Urteil des VG Potsdam vom 11.09.2015 für die Stadt Uebigau-Wahrenbrück erstritten. Das Berufungsverfahren ist noch vor dem OVG anhängig. Dieses Berufungsverfahren steht zwar mit dem Beschluss vom 06.05.2016 nicht in Beziehung. Auch dort stellt sich jedoch die Frage nach der Wirksamkeit des LEP-BB. WMRC hält den LEP-BB weiterhin für unwirksam. Nach Ansicht von WMRC überzeugt die Argumentation des OVG zum Auseinanderfallen des maßgeblichen Zeitpunkts für die Abwägung einerseits und für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage andererseits nicht. Wenn der Planträger in ergänzenden Verfahren auf eine (zeit- und arbeitsintensive) erneute Abwägung verzichtet, muss er die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abwägung (2009) vollständig zugrunde legen. Das OVG scheint im Beschluss vom 06.05.2016 im Sinne einer planungsrechtlichen „Rosinentheorie“ zu argumentieren.