Journal

07.06.2016

Pflicht zur Anwendung der VOL/A und VOB/A, jeweils 1. Abschnitt.

Brandenburgische Kommunen werden in § 25 a GemHVO Bbg.  bzw. § 30 KomHKV Bbg. zur transparenten und diskriminierungsfreien Vergabe öffentlicher Aufträge sowie grundsätzlich zur öffentlichen Ausschreibung von Lieferungen und Leistungen verpflichtet. Die Absätze 2 und 3 dieser Vorschriften verpflichten jeweils zur Anwendung der VOB/A und VOL/A, 1. Abschnitt. Der Verweis ist nicht dynamisch, sondern bezieht sich auf die Fassungen der VOB/A vom 31. Juli 2009, geändert durch Bekanntmachung vom 19. Februar 2010 sowie der VOL/A vom 20. November 2009, geändert durch Bekanntmachung vom 19. Februar 2010. Einzelne Vorschriften der VOB/A und VOL/A werden von der Anwendung ausgenommen. Ferner werden Wertgrenzen für beschränkte Ausschreibungen und freihändige Vergaben geregelt.

Trotz Vergabereform Anwendung der VOB/A, 1. Abschnitt alter Fassung

Am 18. April 2016 ist das reformierte EU-Vergaberecht in Kraft getreten. Im Zuge dessen wurde auch der 1. Abschnitt der VOB/A geändert. Nach den oben genannten Vorschriften ist im Land Brandenburg bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte bislang weiterhin die alte Fassung der VOB/A, 1. Abschnitt, anzuwenden. Eine Aktualisierung der Vorschriften ist erst beabsichtigt, wenn auch der 1. Abschnitt der VOL/A überarbeitet wurde. Die Abstimmungen hierzu dauern jedoch noch an. Die Neufassung soll im Laufe dieses Jahres vorliegen.

MI Bbg.: freie Wahl zw. öffentlicher Ausschreibung und beschränkter Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb

Mit Schreiben vom 13. April 2016 hat das Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg sich zur Zulässigkeit einer beschränkten Ausschreibung mit vorherigem Teilnahmewettbewerb unterhalb der Schwellenwerte geäußert. Oberhalb der Schwellenwerte besteht inzwischen Wahlfreiheit zwischen offenem und nicht offenem Verfahren. Die Neufassung der VOB/A, 1. Abschnitt, sieht weiterhin den Vorrang der öffentlichen Ausschreibung vor, die bisherige Fassung der VOL/A, 1. Abschnitt, ebenfalls. Das Ministerium teilt mit, es werde kommunalaufsichtsrechtlich nicht einschreiten, wenn öffentliche Auftraggeber Aufträge anstatt im Wege der „klassischen öffentlichen Ausschreibung“ im Wege einer beschränkten Ausschreibung mit vorherigem Teilnahmewettbewerb vergeben. Dies wird formal mit einem – wohl neuen - erweiterten Verständnis des Ministeriums vom Begriff der öffentlichen Ausschreibung begründet. Die Vergabeverordnungen definieren die öffentliche Ausschreibung als eine Ausschreibung, bei der eine unbegrenzte Zahl von Unternehmen öffentlich zur Angebotsabgabe aufgefordert wird. Diese Praxis nennt das Ministerium nun „klassische öffentliche Ausschreibung“, während die („nicht klassische“) öffentliche Ausschreibung auch eine beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb sein kann.

Inhaltlich begründet das Ministerium seine künftige Praxis damit, dass die beschränkte Ausschreibung mit vorherigem Teilnahmewettbewerb gerade mit dem Teilnahmewettbewerb einen Grad an Öffentlichkeit gewährleiste. Der Teilnehmerkreis werde erst im weiteren Verfahren beschränkt und unterscheide sich insofern von der „klassischen öffentlichen Ausschreibung“ im Sinne der VOB/A und VOL/A. Das Ministerium beabsichtigt, die Gemeindehaushaltsverordnung und KomKV dergestalt zu ändern, dass sowohl bei der Vergabe von Bauleistungen als auch von Dienstleistungen und Lieferleistungen zwischen (klassischer) öffentlicher Ausschreibung und beschränkter Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb frei gewählt werden kann. Damit wird das Land Brandenburg in einem wichtigen Punkt von der VOB/A, 1. Abschnitt, abweichen. Dort soll es weiterhin beim Vorrang der öffentlichen Ausschreibung bleiben.

WMRC Praxishinweis:

Vergabestellen müssen sich in Brandenburg bei der Vergabe aller Arten von Leistungen parallel mit dem alten und neuen Recht auseinandersetzen, je nachdem, ob sie Aufträge oberhalb oder unterhalb der Schwellenwerte vergeben. Die nun eröffnete Möglichkeit, unterhalb der Schwellenwerte auch eine beschränkte Ausschreibung mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb zu wählen, bietet unseres Erachtens keine wesentlichen Vorteile gegenüber öffentlicher Ausschreibung. Regelmäßig dauert das zweistufige Verfahren länger und wirkt durch die Begrenzung des Teilnehmerkreises im Teilnahmewettbewerb wettbewerbsbeschränkend. Interessant kann die Inanspruchnahme der Möglichkeit allerdings sein, wenn bei klassischer öffentlicher Ausschreibung eine extrem hohe Zahl an Angeboten erwartet wird. Dann gilt es, zu großen Aufwand bei der Vergabestelle und auch vergeblichen Aufwand bei vielen Bietern für die Angebotserstellung zu vermeiden. Wenn Vergabestellen in diesem Fall eine beschränkte Ausschreibung mit vorherigem Teilnahmewettbewerb durchführen, sollte allerdings die Zahl der Angebote nicht zu stark begrenzt werden, um weiterhin einen möglichst breiten Wettbewerb zu ermöglichen und damit gute Angebotspreise zu erzielen.