Journal

19.09.2018

Das BVerwG (29.08.2018, 3 B 24.18) und vorangehend der VGH München (12.03.2018, 8 B 17.1999) haben die Verwirkung eisenbahnkreuzungsrechtlicher Kostenerstattungsansprüche in einem Fall behandelt, in dem dem Straßenbaulastträger („Gemeinde“) wegen der verspäteten Abrechnung durch die Baulastträgerin des Schienenwegs („Bahn“) Zuwendungsmittel entgingen.

Zur Finanzierung des Neubaus einer Eisenbahnüberführung sowie einer sie erschließenden Ortsstraße schlossen die Gemeinde und die Bahn sowie die Betreiberin des Bahnhofs eine Kreuzungsvereinbarung. Hieraus nahm die Bahn die Gemeinde mit Schlussrechnung vom 14.07.2011 in Höhe von 701.223,94 € in Anspruch. Durch bestandskräftigen Bescheid vom 03.11.2011 setzte die zuständige Stelle daraufhin die zuwendungsfähigen Kosten für das Vorhaben der Gemeinde abschließend fest.

Mit Schreiben vom 28.11.2012 teilte die Bahn der Gemeinde mit, dass die kreuzungsbedingten Leistungen der Bahnhofsbetreiberin versehentlich nicht in die Schlussrechnung einbezogen worden seien und kündigte eine Nachforderung in Höhe von 736.000 € an. Mit Schlussrechnung vom 25.09.2014 forderte sie die Gemeinde zur Nachzahlung von 550.858,38 € auf. Die Gemeinde trat dieser Forderung insbesondere mit der Begründung entgegen, durch die verspätete Geltendmachung seien ihr Fördermittel in Höhe von fast 340.676 € entgangen.

Das VGH hat die Gemeinde zur Zahlung von 210.182,63 € verurteilt, die Klage im Übrigen - und damit hinsichtlich der entgangenen Zuwendungen in Höhe von 340.675,75 € - aber abgewiesen. Zwar sei die Forderung der Bahn nicht verjährt, weil ihr Kostenerstattungsanspruch erst mit prüfbarer Rechnungslegung am 29.04.2015 entstanden und nach Ablauf einer dreimonatigen Prüfungs- und Bereitstellungsfrist fällig geworden sei. In Höhe des benannten Teilbetrags sei die Durchsetzung des Zahlungsanspruchs aber verwirkt. Die Gemeinde habe infolge der Schlussrechnung vom 14.07.2011 darauf vertrauen dürfen, dass weitere Kostenansprüche durch die Bahn nicht mehr geltend gemacht würden. Dies gelte insbesondere deshalb, weil der Bahn bekannt gewesen sei, dass die Gemeinde noch im Jahr 2011 den Verwendungsnachweis in ihrem Zuwendungsverfahren erbringen musste. Auf eine abschließende Regelung habe die Gemeinde auch tatsächlich vertraut, weil sie das Vorhaben auf der Grundlage der Schlussrechnung haushaltsrechtlich abgewickelt und den entsprechenden Zuwendungsbescheid nicht angegriffen habe.

Das BVerwG wies die Beschwerde der Bahn gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des VGH zurück. Die Bahn argumentierte im Wesentlichen, dass die Verwirkung eines Anspruchs nicht vor seiner Entstehung (hier mit prüfbarer Abrechnung) einsetzen könne. Das BVerwG entschied jedoch, dass maßgeblich für die Annahme einer nach Treu und Glauben "verspäteten" Geltendmachung andere Gesichtspunkte sind als diejenigen, die für den Zeitpunkt der Entstehung, der Fälligkeit oder der Verjährung eines Anspruchs ausschlaggebend sind. Bezugspunkt der Verwirkung ist danach ein Verhalten des Berechtigten, das eine Vertrauensgrundlage des Verpflichteten begründet und eine spätere Geltendmachung als unzulässige Rechtsausübung erscheinen lässt. Der Berechtigte muss eine Situation geschaffen haben, auf die der Verpflichtete vertrauen und sich einstellen durfte. Zeitlicher Anknüpfungspunkt für die Verspätung ist damit der vom Berechtigten geschaffene Vertrauenstatbestand. Aus diesen unterschiedlichen Bezugspunkten folgt, dass es grundsätzlich denkbar ist, einen Anspruch bereits vor dem Zeitpunkt seiner formalen Entstehung zu verwirken.

Für die Praxis ist darüber hinaus eine weitere Annahme des VGH bedeutsam. Der Nachforderung der Bahn stand nicht bereits entgegen, dass sie schon einmal eine Schlussrechnung legte. In der Erteilung einer Schlussrechnung im Zusammenhang mit Baumaßnahmen auf der Grundlage einer eisenbahnrechtlichen Kreuzungsvereinbarung liegt nach Auffassung des VGH grundsätzlich kein Verzicht auf weitergehende (Nach-)Forderungen.