13.01.2020
Zu spät, zu teuer, nicht formgerecht, nicht vollständig, nicht richtig, zu schlecht – oft schrumpft die Anzahl der Angebote in einem Vergabeverfahren bei ihrer Prüfung. Das ist für Auftraggeber wie auch für Bieter gleichermaßen nachteilig. Kein Auftraggeber möchte attraktive Angebote ausschließen. Bieter, die den Aufwand der Erarbeitung eines Angebots auf sich nehmen, tun dies, um den Zuschlag zu erhalten. Was beide Seiten tun können, um Ausschlüsse zu vermeiden, zeigt dieser Beitrag am Beispiel aktueller Entscheidungen.
Elektronische Angebote
Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte müssen seit Oktober 2018 elektronisch abgewickelt werden. Die elektronische Angebotsabgabe hat ihre Tücken (dazu z.B. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 17.3.2017, 15 Verg 2/17 und VK Niedersachsen, Beschluss v. 11.12.2018, VgK-50-2018). In der Praxis zeigen sich bei der elektronischen Angebotsabgabe immer wieder Probleme, die zum Ausschluss von Angeboten führen. Geht ein Angebot nicht rechtzeitig ein, ist es auszuschließen. Dies trifft die Bieter vor allem dann, wenn die elektronische Angebotsabgabe länger dauert als gedacht.
Bieter, die ihr Angebot vorsichtshalber neben der formgerechten Einreichung auf der vom öffentlichen Auftraggeber vorgegebenen Vergabeplattform per einfacher E-Mail einreichen oder ihr Angebot in ein falsches Kommunikationsfeld hochladen, riskieren den Ausschluss ihres Angebotes.
Zwei Beispiele aus der Praxis:
Bei einem Bauauftrag waren die Angebote elektronisch über eine Vergabeplattform einzureichen. Vor Ablauf der Angebotsfrist versuchte ein Bieter sein Angebot über die Plattform einzureichen, was aufgrund technischer Probleme mit der Vergabeplattform nicht möglich war.
Kurz vor Ablauf der Angebotsfrist schickt der Bieter das Angebot schließlich nach telefonischer Rücksprache mit dem Auftraggeber per einfacher E-Mail an den Auftraggeber. Nach Ablauf der Angebotsfrist, als die Probleme der Vergabeplattform behoben waren, reichte er das Angebot über die Vergabeplattform ein.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe (Beschluss v. 17.3.2017, 15 Verg 2/17) kann der Bieter im Vergabeverfahren nicht berücksichtigt werden. Das erste per E-Mail eingereichte Angebot ist nicht formgerecht eingegangen und deshalb nach § 16 EU Nr. 2 in Verbindung mit § 13 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A auszuschließen. Das zweite über die Vergabeplattform eingereichte Angebot ging nicht fristgerecht ein.
Auf die Frage, ob der Bieter das Fristversäumnis zu vertreten habe, komme es nicht an, weil das zweite Angebot von der fehlenden Verschlüsselung des ersten Angebotes infiziert sei.
Ein Bieter in Niedersachsen scheiterte ebenfalls an einer Vergabeplattform. Die Vergabeplattform sah unterschiedliche Eingabefelder für die allgemeine Kommunikation einerseits und Teilnahmeanträge andererseits vor, hob den Unterschied jedoch nicht deutlich hervor. So lud ein Bieter seinen Teilnahmeantrag im allgemeinen Kommunikationsfeld hoch. Im allgemeinen Kommunikationsfeld bestand eine Zugriffsmöglichkeit des Auftraggebers vor Ablauf der Frist für die Teilnahmeanträge.
Nach der Entscheidung der Vergabekammer (VK) Niedersachsen im Beschluss vom 11.12.2018 (VgK 50/2018), ebenfalls zu Bauvergaben, erfordert der Grundsatz des Geheimwettbewerbs, dass die Teilnahmeanträge bis zu ihrer Öffnung vor Zugriff durch Verschlüsselung geschützt sind. Eine Einreichung des Teilnahmeantrags im allgemeinen Kommunikationsfeld vor Ablauf der Frist widerspricht diesem Grundsatz . Das Angebot musste ausgeschlossen werden.
Ausschluss wegen Strafverfahren?
Auch zu diesem Themenkreis zwei Beispiel: Allein die Einleitung von Strafverfahren führt nicht zu einem Ausschluss (OLG Celle, Beschluss v. 13.5.2019, 13 Verg 2/19).
In dem letztinstanzlich vom OLG Celle entschiedenen Fall beabsichtigte ein Auftraggeber, den Zuschlag für einen Auftrag zur Restabfallentsorgung zu erteilen. Gegen zwei der Geschäftsführer des Unternehmens, das den Zuschlag erhalten sollte, waren Strafverfahren wegen unerlaubten Umgangs mit Abfällen eingeleitet worden.
Ein Nachunternehmer hatte Aschen aus der Abfallverbrennung auf dem Grundstück der durch den Bieter betriebenen Müllverbrennungsanlage ohne Genehmigung als Ersatzbaustoff eingesetzt. Auf den Nachprüfungsantrag eines anderen Bewerbers haben sowohl die VK Niedersachsen als auch nachgehend das OLG Celle (Beschluss v. 13.5.2019, 13 Verg 2/19) entschieden, dass das Angebot nicht habe ausgeschlossen werden müssen.
Nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) seien Verstöße gegen umweltrechtliche Vorschriften nur dann relevant, wenn sie bei Ausführung eines öffentlichen Auftrages erfolgt sind. Dies sei bei der illegalen Ascheentsorgung nicht der Fall gewesen.
Eine Zurechnung des Handels von Nachunternehmen führe zu keinem Ausschlusstatbestand Es fehle eine positive Feststellung, dass die verantwortlichen Personen im Unternehmen des Bieters Kenntnis von den abfallrechtlichen Verstößen auf dem Betriebsgelände gehabt haben müssten.
Der Ausschlusstatbestand nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB, nachdem Unternehmen ausgeschlossen werden können, wenn sie im Rahmen der beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen haben, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt ist, sei vom Auftraggeber Rahmen seines Ermessens zulässigerweise als nicht erfüllt angesehen worden:
Es sei daher vertretbar, wenn der Auftraggeber die Verfehlung nicht als „schwer“ im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB bewerte.
Ohne strafrechtliche Verurteilung ist ein Ausschluss von Unternehmen wegen Verstößen gegen umweltrechtliche Vorschriften jedenfalls von anderen Bietern nach dieser Entscheidung kaum einforderbar.
Kartellrechtswidrige Absprachen und Selbstreinigung
Voraussetzung einer Selbstreinigung nach wettbewerbswidrigen Absprachen ist eine weitgehende Offenlegung gegenüber dem Auftraggeber (VK Westfalen, Beschluss v. 25.4.2019, VK 2-41/18). In dem Fall, den die VK Westfalen zu entscheiden hatte, war ein Bieter in einem Vergabeverfahren für Lkw-Fahrgestelle und Entsorgungsaufbauten mit anderen Unternehmen an kartellrechtswidrigen Absprachen beteiligt, die von der Europäischen Kommission geahndet wurden. Auch dem Auftraggeber war nach seiner Auffassung durch die kartellrechtswidrigen Absprachen ein Schaden entstanden.
Mit dem im Vergabeverfahren abgegebenen Angebot reichte das Unternehmen eine anwaltliche Stellungnahme zu den vergaberechtlichen Konsequenzen der Beteiligung an den Kartellrechtverstößen ein, die zu dem Ergebnis kam, es hätten ausreichende Maßnahmen zur Selbstreinigung nach § 125 Abs. 1 GWB stattgefunden.
Der Auftraggeber schloss das Angebot dennoch aus. Eine ordnungsgemäße Selbstreinigung habe nicht stattgefunden, das Kriterium der Schadenskompensation sei nicht erfüllt. Es fehle an der Bereitschaft und an dem Willen zur Aufarbeitung des Fehlverhaltens und zur Kompensation entstandener Schäden.
Auch das Kriterium der Sachverhaltsaufklärung bezogen auf die kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen sei nicht erfüllt. Ausführungen zu den Einzelheiten des Kartellverstoßes wurden vom Bieter nicht vorgelegt. Er habe nicht angeboten, die Tatsachen und Umstände des Fehlverhaltens in aktiver Art mit dem Auftraggeber zu klären.
Der Auftraggeber setzte dem Bieter eine Frist, um Fragen hierzu zu beantworten. Nach Prüfung der daraufhin eingereichten Stellungnahme schloss er das Angebot aus, wogegen sich das Unternehmen mit einem Nachprüfungsantrag wandte. Eine Zusage Schadensersatzforderungen zu prüfen, müsse ausreichen. Ein Informationsbedürfnis über die geschwärzte Fassung der Entscheidung der Kommission und die technischen und organisatorischen Selbstreinigungsmaßnahmen hinaus bestünde nicht.
Die VK Westfalen gab dem Auftraggeber recht. Der Auftraggeber habe ein Interesse an der Übermittlung der vertraulichen Fassung des Kommissionsbeschlusses. Dass ich durch die Offenlegung des Beschlusses der Kommission die Chancen des Auftraggebers im zivilrechtlichen Schadensersatzprozess erhöhen könnten, sei kein Grund die Vorlage zu verweigern.
Eine Selbstreinigung sei nicht verpflichtend, sondern lediglich ein Weg, wie die infolge eines bestehenden Ausschlussgrundes entfallende Zuverlässigkeit eines Unternehmens wiederhergestellt werden kann. Ein Bieter sei nicht gezwungen, eine Sachverhaltsaufklärung durchzuführen, er könne im Gegenzug aber auch nicht erwarten, ohne Erfüllung der hierzu formulierten Anforderungen, dass seine Zuverlässigkeit als wiederhergestellt angesehen werde.
Die Darlegung der Selbstreinigung durch das Unternehmen müsse der öffentliche Auftraggeber bewerten. Er müsse das Risiko einschätzen, dass sich ergebe, wenn er einen Auftrag an einen Bieter mit zweifelhafter Integrität vergebe. Ihm stehe dabei ein Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkt überprüfbar sei.
Fazit
Manch ein Ausschlussgrund ist auf Seiten der Bieter vermeidbar. Bieter müssen die Vorgaben der Vergabeunterlagen nicht nur in formeller Hinsicht, aber auch inhaltlich genau lesen, wenn sie nicht den Ausschluss des Angebots riskieren wollen. Der Auftraggeber kann dazu beitragen, dass zumindest formelle Hürden nicht allzu hoch sind.
Die elektronische Angebotsabgabe beinhaltet größere Hürden, als man meinen sollte. Auftraggeber sollten möglichst Hilfestellungen anbieten und unbedingt über Fallstricke informieren, die aufgrund einer ungünstig, möglicherweise auch vergaberechtswidrig gestalteten Vergabeplattform auftreten.
Dafür ist es wichtig, sich mit der Vergabeplattform und den dort erhältlichen Informationen vertraut zu machen.
Bei technischen Problemen mit der Abgabe von elektronischen Angeboten muss der Auftraggeber zumindest prüfen, ob eigenes Organisationsverschulden vorliegt (VK Westfalen, Beschluss v. 20.2.2019, VK 1-40/18). Liegen die technischen Schwierigkeiten hingegen beim Bieter, geht dies zu seinen Lasten.
Bei der Prüfung von Ausschlussgründen nach § § 123, 124 GWB – so zeigen es die Entscheidungen des OLG Celle und der VK Münster – hat der Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum. Dies erfordert, dass der Auftraggeber sich intensiv mit dem Sachverhalt, der zu einem Ausschluss führen kann, auseinandersetzt.
Im Ergebnis kann dann die Einleitung eines Strafverfahrens möglicherweise nicht zum Ausschluss führen und eine umfangreiche anwaltliche Darstellung von Selbstreinigungsmaßnahmen und Compliancevorgaben als nicht ausreichend angesehen werden.
Für Bieter, die an Rechtsverstößen beteiligt waren, bedeutet dies, dass sie sich in Zukunft mehr darauf einstellen müssen das konkret Geschehene offen zu legen und zu kompensieren als die Vorgänge durch abstrakte Maßnahmenkataloge abzuschließen.