Journal

16.03.2017

Mit Modernisierung des Vergaberechts im letzten Jahr ist eine sog. Bereichsausnahme für Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr geschaffen worden, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und unter bestimmte CPV-Nummern fallen (CPV - Common Procurement Vocabulary ist ein unionsweit gültiges Referenzsystem für eine einheitliche Beschreibung von Auftragsgegenständen). Der Einsatz von Krankenwagen fällt unter die Leistungen, für die die Ausnahme gilt, nicht aber der Einsatz von Krankenwagen zur Patientenbeförderung – so die gesetzlich geregelte Rückausnahme. Bedeutung und Umfang der Bereichsausnahme waren schon vor Inkrafttreten der Neuerungen umstritten.

Bereits 2016 ist erste Rechtsprechung zu den umstrittenen Fragen ergangen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschied, dass die Ausnahme nicht auf Zivil- und Katastrophenschutzfälle und abstrakt drohende Großschadensereignisse beschränkt ist, wie in der Literatur vereinzelt - in enger Auslegung des Gefahrenabwehrbegriffs -vertreten wird (Urt. v. 15.9.2016, 7 L 2411/16). Ebenso hatte die Vergabekammer Rheinland 2016 als erste Vergabekammer entschieden (Beschl. v. 19.8.2016, VK D-14/2016-L). Davon abweichend hat sich die Vergabekammer Münster nunmehr der vereinzelt vertretenen Literaturauffassung angeschlossen und den Anwendungsbereich der Ausnahme auf die normale Notfallrettung verneint (Beschl. v. 15.2.2017, VK 1 – 51/16). Die Frage bleibt damit auch in der Rechtsprechung umstritten. Das OLG Düsseldorf, das über die Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland zu befinden hatte, hat angekündigt, dem EuGH verschiedene Rechtsfragen zur Klärung vorlegen zu wollen. Bis zur Entscheidung des EuGH müssen die Rettungsdienstträger mit erheblichen Rechtsunsicherheiten umgehen.

Sofern man die Bereichsausnahme überhaupt außerhalb von Zivil-, Katastrophenschutz und Großschadensereignissen für anwendbar hält, ist auch streitig, inwieweit sie dann den qualifizierten Krankentransport umfasst. Das VG Düsseldorf bejahte dies. Der qualifizierte Krankentransport falle nicht unter die Rückausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung, da diese nur den einfachen Krankentransport erfassen solle. Das ergebe sich aus der Gesetzesbegründung sowie dem Umstand, dass es dem Wortlaut der Bereichsausnahme nach auch einen Einsatz von Krankenwagen geben muss, der der Ausnahme unterfällt. Die Vergabekammer Rheinland ließ die Frage offen, zweifelte jedoch aus verschiedenen Gründen hieran. Sie sah allerdings die Möglichkeit, diese Leistungen mit den Hauptleistungen, für die die Bereichsausnahme gilt, gemeinsam zu vergeben.

Das OVG Münster, das nun über die Beschwerde gegen das Urteil des VG Düsseldorf entschied (OVG Münster, Beschl. v. 19.1.2017, 13 B 1163/16), äußerte sich nicht zu den umstrittenen Fragen, da es den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz bereits für unzulässig hielt.

In Sachsen-Anhalt soll der Vergaberechtsmodernisierung durch eine Neufassung des Rettungsdienstgesetzes Rechnung getragen werden, das im Entwurf vorliegt. Hiernach soll es bei der Vorgabe bleiben, ein transparentes, faires und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren durchzuführen. Allerdings sollen die Genehmigungen in diesem Auswahlverfahren nur an die gemeinnützigen Organisationen erteilt werden, die gemäß § 12 Abs. 2 des Katastrophenschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt im Katastrophenschutz mitwirken. Der Gesetzesentwurf enthält hiernach, wie in der Gesetzesbegründung ausgeführt, eine klare Vorentscheidung zugunsten von Hilfsorganisationen, wobei Ausnahmen möglich bleiben sollen, um den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung tragen zu können. Ob das Gesetz, sollte es mit diesem Inhalt beschlossen werden, dem Bundesrecht widerspricht, hängt nicht zuletzt von der streitigen Reichweite der Bereichsausnahme vom Vergaberecht ab.

 

WMRC-Praxishinweis: Nach aktueller wie auch künftiger Rechtslage – sollte der Gesetzesentwurf so beschlossen werden -, müssen Rettungsdienstträger im Land Sachsen-Anhalt ein transparentes, faires und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren durchführen, wenn sie Genehmigungen zur Durchführung des Rettungsdienstes erteilen wollen. Nach dem Gesetzesentwurf sollen hierzu künftig i. d. R. nur Hilfsorganisationen zugelassen werden. Zur der Frage, ob hiervon eine Ausnahme gemacht werden soll, sollten in jedem Fall Erwägungen angestellt und festgehalten werden. Da nicht anzunehmen ist, dass private Rettungsdienstleister den weitgehenden Ausschluss vom Rettungsdienst ohne Weiteres hinnehmen werden, werden sich die Rettungsdienstträger auf Rechtsstreitigkeiten hierüber einzustellen haben.