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23.01.2019

Dieser Beitrag bietet einen Überblick über die Voraussetzungen, soziale Aspekte bei der öffentlichen Beschaffung von IT-Geräten in einem Vergabeverfahren zu berücksichtigen. Solche Aspekte können u. a. die Einhaltung von ILO-Kernarbeitsnormen entlang der Lieferkette, aber auch die Vermeidung von Rohstoffen betreffen, deren Erträge gewaltsame Konflikte finanzieren (sog. Konfliktrohstoffe1).

Das Vergaberecht ermöglicht eine Berücksichtigung unterschiedlicher, auch sozialer Aspekte bei der Beschaffung. Dies ist seit der Vergaberechtsreform 2016 ausdrücklich in verschiedenen vergaberechtlichen Normen verankert.2

Der Auftraggeber kann (soziale) Anforderungen an die Unternehmen und die Leistung auf verschiedenen Stufen des Vergabeverfahrens umsetzen:

  • Ausschlussgründe,
  • Eignung,
  • Leistungsbeschreibung,
  • Ausführungsbedingungen
  • und Zuschlagskriterien.

Währen Ausschlussgründe und Eignung sich auf die am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen beziehen, betreffen Leistungsbeschreibung, Ausführungsbedingungen und Zuschlagskriterien Anforderungen an den Leistungsgegenstand und das Angebot für die konkrete Leistung. Jede – auf jede soziale – Anforderung in einem Vergabeverfahren muss mit den vergaberechtlichen Grundsätzen3 Wettbewerb, Transparenz, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit vereinbar sein. Unabhängig davon, auf welcher Stufe der öffentliche Auftraggeber soziale Vorgaben verankert, müssen die Anforderungen4

  • eine Verbindung zum Auftragsgegenstand haben (dazu 1.),
  • sie müssen transparent sein (dazu 2.),
  • sie müssen überprüfbar sein, d. h. es muss eine geeignete Form des Nachweises verfügbar sein (dazu 3.)
  • und Anforderungen und Nachweis müssen verhältnismäßig sein (dazu 4.).

1.        Verbindung zum Auftragsgegenstand

Voraussetzung für eine vergaberechtssichere Umsetzung von sozialen Anforderungen ist die Verbindung zum Auftragsgegenstand (§ 127 Abs. 3 GWB für Zuschlagskriterien, § 122 Abs. 4 GWB für Eignungskriterien, § 31 VgV für die Merkmale der Leistung in der Leistungsbeschreibung und § 128 Abs.2  GWB für besondere Ausführungsbedingungen: für Eignungskriterien ist ein Bezug zur Leistung gegeben, wenn das Eignungskriterium objektiv dazu geeignet ist, die Leistungsfähigkeit im Hinblick auf den konkret ausgeschriebenen Auftrag zu bestimmen).5

Eine Verbindung zum Auftragsgegenstand wird für alle Stadien des Lebenszyklus einschließlich der Lebenszyklusphasen vor der Herstellung des Produktes wie z. B. die Rohstoffgewinnung angenommen.6

Auch ein Kriterium, das die Vermeidung der Finanzierung von kriegerischen Konflikten aus Rohstofferlösen betrifft, dürfte eine Verbindung zum Auftragsgegenstand haben. Zwar geht es, anders als bei sonstigen „klassischen“ sozialen Kriterien nicht um die Vorgehensweise bei der Rohstoffgewinnung als solche und die Bedingungen für die damit beschäftigten Personen selbst7, sondern um die Verwendung der mit dem Verkauf der Rohstoffe erzielten Erlöse. Der Bezug zum Rohstoff und zum beschafften Produkt ist daher mittelbar. Einen unmittelbaren Bezug oder eine direkte Verbindung des Kriteriums setzt das Vergaberecht aber auch gar nicht voraus.8 § 127 Abs. 3 GWB, der die Verbindung zum Auftragsgegenstand für Zuschlagskriterien beschreibt, bezieht z. B. den Handel mit der Leistung sogar ausdrücklich ein. Es ist in der vergaberechtlichen Diskussion anerkannt, dass Gesichtspunkte des fairen Handels wie die Vorfinanzierung der Produktion und das Bestehen langfristiger Handelsbeziehungen zwischen Erzeuger und Importeur, jedenfalls dann, wenn es um die in Erfüllung des Auftrags zu liefernden Waren geht, als auftragsbezogenes Kriterium anzusehen sind. Der Auftraggeber ist frei darin zu bestimmen, welchen (politischen) Zweck er z. B. mit einem Zuschlagskriterium verfolgt. Insbesondere ist eine rechtliche Verankerung nicht erforderlich.9

Zu beachten ist aber: das konkret zu beschaffende IT-Produkt ist Leistungsgegenstand. Die für die verschiedenen Phasen des Lebenszyklus definierten Anforderungen müssen sich also auf die durch den öffentlichen Auftraggeber beschafften IT-Produkte beziehen.

2.        Transparenz

Kriterien in einem Vergabeverfahren müssen transparent ausgestattet sein (Transparenzgrundsatz in § 97 GWB). Nur auf Basis transparenter Anforderungen können die Bieter vergleichbare Angebote abgeben.

3.        Überprüfbarkeit und Nachweis

Die Kriterien müssen überprüfbar sein. Für Zuschlagskriterien ist dies in § 127 Abs. 4 S. 1 GWB ausdrücklich geregelt10 und aufgrund der unmittelbaren Auswirkung von Zuschlagskriterien auf die Zuschlagsentscheidung von besonderer Relevanz. Etwas großzügiger ist das Vergaberecht bei Ausführungsbedingungen.

Kriterien, die sich auf frühe Stadien der Lieferkette oder den Rohstoffabbau beziehen, sind regelmäßig schwierig zu überprüfen. Der öffentliche Auftraggeber legt fest, mit welchen Unterlagen bestimmte Anforderungen oder Merkmale zu belegen sind.11 Als Nachweise kommen Eigenerklärungen des Bieters, Herstellererklärungen, technischen Dossiers, Berichte unabhängiger Dritter/Audits, Bescheinigungen durch Konformitätsbewertungsstellen nach § 33 VgV oder Gütezeichen nach § 34 VgV in Betracht.12 Durch die Vorgaben für Nachweise muss der öffentliche Auftraggeber eine willkürliche Zuschlagserteilung durch die Ermöglichung einer wirksamen Überprüfung ausschließen.13 Eine einfache Eigenerklärung zum Nachweis von nicht ohne weiteres überprüfbaren Kriterien entlang der Lieferkette ist insofern zweifelhaft.

4.        Verhältnismäßigkeit

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit14 ist auf allen Stufen des Vergabeverfahrens zu beachten. Bei der Berücksichtigung von sozialen Anforderungen an IT-Produkte spielt dieser Grundsatz vor allem deshalb eine Rolle, weil die Lieferketten der IT-Geräte komplex sind.

Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit stehen sich das hohe Gewicht der Menschenrechte auf der einen Seite und der Aufwand bzw. die Möglichkeit der Nachweisführung auf der anderen Seite gegenüber.15

Aus unserer Sicht spricht vieles dafür, dass aufgrund des hohen Gewichts der betroffenen Menschenrechte Nachweisanforderungen auch bei einem

geringen Gewichtsanteil und auch bei einem verhältnismäßig geringen wertmäßigen Anteil des betroffenen Rohstoffs oder der Herstellungsphase regelmäßig gerechtfertigt sind.16 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet es jedenfalls, dass der öffentliche Auftraggeber Nachweise bestimmt, die Unternehmen grundsätzlich erfüllen können. Aus den Vergabeunterlagen müssen sich sowohl die Anforderungen, als auch die Nachweismöglichkeiten eindeutig ergeben. Das bedeutet allerdings nicht, dass nur solche Nachweise gefordert werden dürfen, die alle am Markt tätigen Unternehmen erbringen.

Zusammenfassung

Soziale Anforderungen, die einzelne Stadien der Lieferkette – auch solche, die der Herstellung vorgelagert sind – betreffen, haben eine Verbindung zum Auftragsgegenstand, solange sie sich auf das konkret beschaffte Produkt beziehen. Sie können deshalb auf verschiedenen Stufen eines Vergabeverfahrens Berücksichtigung finden. Der Auftraggeber muss auch unter Berücksichtigung von Marktkenntnissen entscheiden, auf welcher Stufe des Vergabeverfahrens er soziale Kriterien sinnvoll umsetzt und welche Nachweise er verlangt. Innerhalb des vergaberechtlichen Rahmens verbleibt hier ein Spielraum.

Die ganze Broschüre finden Sie hier:

https://www.woek.de/fileadmin/user_upload/downloads/publikationen/beschaffung/deab_woek_2018_nachhaltige_it-beschaffung_menschenrechte_im_fokus.pdf

Anmerkungen

      1. 3TG (Zinn, Wolfram, Tantal, Gold) als „klassische“ Konfliktrohstoffe sowie Kobalt (Ausblick: Seltene Erden, Nickel, Kupfer, Lithium, Glimmer). Es existieren außervergaberechtliche Normen, deren Ziel es ist, die mit Konfliktrohstoffen einhergehenden Probleme auszuschließen. Zu nennen sind die Verordnung (EU) 2017/821 aus dem Jahr 2017 und der Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act aus dem Jahr 2010 in den USA. Beide Regelwerke schließen aber nicht aus, dass in IT-Produkten, die in Deutschland beschafft werden, Konfliktrohstoffe enthalten sind. Der Dodd-Frank Act gilt nur für an der US-Börse notierte Unternehmen, und die EU-Verordnung bezieht sich lediglich auf den Import der Rohstoffe.
      2. Insbesondere § 97 Abs. 3, § 127 Abs. 1, § 128 Abs. 2 GWB, § 31 Abs. 3, § 58 Abs. 2 VgV.
      3. § 97 GWB.
      4. z. B. zu Zuschlagskriterien: Steck, in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 58 VgV Rn. 19.
      5. Ziekow in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 122 GWB Rn. 23.
      6. Dies wird aus den § 127 Abs. 3 GWB und § 31 Abs. 3 VgV zugrunde liegenden Richtlinienbestimmungen in Art. 42 Abs. 1 Unterabs. 2 und Art. 67 Abs. 3 RL 2014/24/EU noch deutlicher. Die Verbindung zum Auftragsgegenstand ist danach gegeben, wenn sich eine Anforderung auf den spezifischen Prozess oder die spezifische Methode zur Produktion/den spezifischen Prozess der Herstellung oder der Bereitstellung sowie auf einen spezifischen Prozess eines anderen Lebenszyklusstadiums bezieht; im Einzelnen, Krönke, Sozial verantwortliche Beschaffung nach dem neuen Vergaberecht, § 58, Rn. 21, Vergaberecht, § 127, Rn. 18.
      7. Als soziale Zuschlagskriterien kommen herkömmlich vor allem solche in Betracht, die sich auf die an der Auftragsausführung beteiligten Arbeitnehmer beziehen, so Opitz in Burgi/Dreher, Vergaberecht, § 127 GWB, Rn. 101.
      8. Opitz in Burgi/Dreher, Vergaberecht, § 127, Rn. 100.
      9. Opitz in Burgi/Dreher, Vergaberecht, § 127 GWB, Rn. 101.
      10. z. B. Steck, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 58 VgV, Rn. 22.
      11. Zum Begriff der Unterlagen vgl. § 56 VgV, dazu im Einzelnen Dittmann/Kulartz/Kus/Portz/Prieß, VgV, § 56 VgV, Rn. 13.
      12. Vergaberechtlich denkbar, aber in der Praxis selten sind auch Überprüfungen durch den Auftraggeber vor Ort beim Bieter/Lieferant.
      13. z. B. Overbuschmann, in Müller-Wrede, VgV/UVgO, § 58 Rn. 251.
      14. 97 Abs. 1 S. 2 GWB.
      15. VGH Baden-Württemberg, 25.11.2016, 1 S 490/14: Eine Bestimmung in einer Friedhofssatzung, nach der der Nachweis, dass ein Grabstein aus fairem Handel stammt und ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurde, durch ein vertrauenswürdiges, allgemein anerkanntes Zertifikat erbracht wird und hierfür beispielhaft ein Zertifikat ausdrücklich benennt, verstößt gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn für die Betroffenen nicht hinreichend erkennbar ist, welche Nachweismöglichkeiten bestehen und als ausreichend gelten. Der Verweis auf ein „vertrauenswürdiges Zertifikat“ ist nicht ausreichend, solange hierüber keine allgemeine Verkehrsauffassung besteht. Für die Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf den Bereich der Vergabe spricht die grundsätzliche Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, so Ziekow in: SKEW Gutachten, 29. Dem kann aber die geringere Grundrechtsrelevanz des Einkaufsverhaltens im Gegensatz einer Satzungsregelung entgegengehalten werden.
      16. Krajewski/Krämer, Berücksichtigung von Arbeits- und Sozialstandards durch Bietererklärungen in den Auftragsausführungen, 20.