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07.06.2016

Bieter dürfen sich zum Nachweis ihrer Eignung auch auf Kapazitäten anderer Unternehmen stützen (sog. Eignungsleihe). Sie müssen in diesem Falle nachweisen, dass ihnen die für den Auftrag erforderlichen Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen werden. Auftraggeber haben häufig das Bedürfnis, näher vorzugeben, wie dieser Nachweis auszusehen hat. Aus neuerer Rechtsprechung des EuGH und den Neuregelungen des Vergaberechts ergeben sich Grenzen hierfür.

  • EuGH: Kapazitäten mehrerer Unternehmen kumulierbar -

Bereits Ende 2013 hatte der EuGH entschieden, dass der Auftraggeber im Regelfall nicht verbieten darf, sich „innerhalb ein und derselben Qualifikationskategorie“ auf die Kapazitäten mehrerer Unternehmen zu stützen (Urteil vom 10.10.2013, Rechtssache C-93/12). Hier ging es z. B. um die bereits erfolgte Ausführung von Bauarbeiten mit einem bestimmten Umsatz. Der EuGH entschied, dass es erlaubt ist, die Kapazitäten mehrerer dritter Unternehmen zu kumulieren, um die vom öffentlichen Auftraggeber festgelegten Mindestanforderungen an die Leistungsfähigkeit zu erfüllen. Nach dem Urteil ist eine Ausnahme bei Arbeiten denkbar, die aufgrund ihrer Besonderheiten eine bestimmte Kapazität erfordern, die sich durch die Zusammenfassung kleinerer Kapazitäten mehrerer Unternehmen möglicherweise nicht erlangen lässt.

  • EuGH: Kooperationsvertrag darf nicht verlangt werden -

Nach einem weiteren Urteil des EuGH von Anfang dieses Jahres darf der öffentliche Auftraggeber Bieter, die sich auf die Kapazitäten anderer Unternehmen stützen möchten, nicht dazu verpflichten, vor Erteilung des Zuschlags mit diesen einen Kooperationsvertrag abzuschließen oder eine Personengesellschaft zu gründen (Urteil vom 14.01.2016, Rechtssache C-234/14). Im Rahmen des Nachweises, dass die erforderlichen Mittel dem Bieter tatsächlich zur Verfügung stehen, sei es nicht zulässig, bestimmte Beweismittel von vornherein auszuschließen. Umgekehrt können vom Auftraggeber auch nicht bestimmte Beweismittel zwingend vorgegeben werden.

  • EuGH: Art des Nachweises frei wählbar, außer Kapazitäten sind nicht übertragbar -

Schließlich entschied der EuGH kürzlich außerdem generell, dass der Bieter den rechtlichen Charakter der Verbindungen, die er zu den Drittunternehmen herzustellen beabsichtigt, auf dessen Kapazitäten er sich stützt, und zum anderen auch die Art und Weise des Nachweises des Bestehens dieser Verbindungen frei wählen kann (Urteil vom 07.04.2016, Rechtssache C-324/14). Allerdings kann der Auftraggeber dieses Recht dann einschränken, wenn sich die Kapazitäten, über die das Drittunternehmen verfügt, nicht auf den Bewerber oder Bieter übertragen lassen. Dann kann der Bieter sich auf die genannten Kapazitäten nur berufen, wenn sich das betreffende Drittunternehmen unmittelbar und persönlich an der Ausführung des Auftrags beteiligt. Ein Beispiel hierfür können bestimmte Erfahrungen oder Ausbildungen sein. Im entschiedenen Fall hielt der EuGH bei der Vergabe des Winterdienstes in Warschau ein gewisses Erfahrungsniveau und eine erhöhte Fähigkeit im Umgang mit spezieller Technologie nicht für übertragbar. Das Versprechen des 230 km entfernt von Warschau ansässigen Drittunternehmens, den Bieter zu beraten und zu schulen, ließ er nicht ausreichen.

  • 47 VgV/§ 6d VOB/A-EU: Einschränkungen der Eignungsleihe -

Genau diesem Gedanken folgend, eröffnet § 47 VgV dem Auftraggeber inzwischen die Möglichkeit bestimmter Einschränkungen für die Eignungsleihe. So darf er nach § 47 Abs. 5 VgV vorschreiben, dass bestimmte kritische Aufgaben bei Dienstleistungsaufträgen oder kritische Verlege- oder Installationsarbeiten im Zusammenhang mit einem Lieferauftrag direkt vom Bieter selbst oder im Falle einer Bietergemeinschaft von einem Teilnehmer der Bietergemeinschaft ausgeführt werden müssen. Ferner kann der öffentliche Auftraggeber eine gemeinsame Haftung des Bewerbers oder Bieters und des anderen Unternehmens für die Auftragsausführung entsprechend dem Umfang der Eignungsleihe verlangen, wenn ein Bewerber oder Bieter die Kapazitäten eines anderen Unternehmens im Hinblick auf die erforderliche wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit in Anspruch nimmt. Auf die berufliche Leistungsfähigkeit, wie Ausbildungs- und Befähigungsnachweise oder die einschlägige berufliche Erfahrung anderer Unternehmen, kann sich der Bieter nur dann berufen, wenn diese die Leistungen erbringen, für die diese Kapazitäten benötigt werden (§ 47 Abs. 1 Satz 3 VgV). Entsprechende Einschränkungen für den Baubereich ermöglicht auch § 6 d VOB/A-EU.

Praxishinweis:

Auftraggeber sollten in den Vergabeunterlagen für den Fall der Eignungsleihe bei der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit eine gemeinsame Haftung von Bieter und Drittunternehmer im Umfang der Eignungsleihe verlangen. Bei bestimmten kritischen Leistungen können sie Eigenleistung durch den Bieter fordern. Darüber hinaus ist jedoch Vorsicht mit Vorgaben für die Eignungsleihe geboten.