Journal

21.06.2015

Beitrag von Rechtsanwältin Gnittke im Vergabenavigator 3/15

 

OLG Jena: Prinzipiell zählt nur selbst erbrachte Leistung als Referenz

Wenn Unternehmen sich für die Leistungserbringung auf Ressourcen anderer Unternehmen stützen wollen, muss dies aus dem Angebot hervorgehen. Für die Prüfung der Eignung ist es erforderlich, dass der Auftraggeber weiß, ob der Bieter selbst oder ein Dritter, z.B. Nachunternehmer, die Leistung erbringen wird bzw. die Referenzleistung erbracht hat. Ergibt sich dies aus dem Angebot nicht, ist eine nachträgliche Korrektur der Eignungsvoraussetzungen unzulässig. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Jena im Beschluss vom 21.01.2015 (2 Verg 4/14) entschieden.

 

Der Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb die Entsorgung von Sonderabfallkleinmengen europaweit im offenen Verfahren aus. Das Verfahren wurde aufgehoben, weil es kein wirtschaftliches Ergebnis hatte. Auch ein erneutes europaweites Vergabeverfahren hatte kein wirtschaftliches Ergebnis. Im Anschluss forderte der Auftraggeber die beiden Bieter aus dem zweiten Vergabeverfahren sowie sechzehn weitere Unternehmen auf, in einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb indikative Angebote für die Entsorgung der Sonderabfallkleinmengen abzugeben.

Zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit waren unter anderem eine Eigenerklärung des Bieters über eine Referenz für die mobile Sammlung von Sonderabfallkleinmengen und deren Verwertung/Beseitigung vorzulegen. Nach den Bewerbungsbedingungen sollten nach Auswertung der indikativen Angebote mit den günstigsten drei bis fünf Bietern Verhandlungen durchgeführt werden. Der Auftraggeber sah alle Bieter, die Angebote abgegeben hatten, als geeignet an und lud alle zu einem Verhandlungsgespräch ein. Die Bieter hatten keine Änderungsvorschläge, sodass keine Änderung der Vergabeunterlagen erfolgte. Der Auftraggeber forderte die Bieter darauf hin auf, ein verbindliches Angebot abzugeben. Unter den Unternehmen, die Angebote abgaben waren auch die späteren Beigeladenen zu 1) und 2), die konzernverbundene Unternehmen sind. Nach Prüfung der Angebote beabsichtigte der Auftraggeber die Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen zu 1). Er teilte der späteren Antragstellerin mit, dass sie den Zuschlag nicht erhalte, da ihr Angebot nicht den niedrigsten Preis aufweise. Die spätere Antragstellerin rügte Folgendes:

Rüge 1: Die Beigeladene zu 1) verfüge nicht über den geforderten Referenzauftrag.

Rüge 2: Die Beigeladene zu 1) habe nicht die erforderliche Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb.

Rüge 3: Die Beigeladene zu 1) und die Beigeladene zu 2) hätten gegen den vergaberechtlichen Geheimhaltungsgrundsatz verstoßen, indem sie parallele Angebote abgegeben hätten.

Rüge 4: Der Transparenzgrundsatz sei verletzt, da die Beigeladene zu 1) ein geändertes Angebot abgegeben habe und daher die Angebote nicht mehr vergleichbar seien.

Rüge 5: Der Antragsgegner habe den Angebotspreis der Beigeladenen zu 1) nicht überprüft. Der Preis sei nicht angemessen.

Rüge 6: Die Aufhebung der beiden offenen Verfahren und die Wahl der Vergabeart als Verhandlungsverfahren ohne öffentlichen Teilnahmewettbewerb seien unzulässig gewesen.

Rüge 7: In einem Verhandlungsverfahren dürfe der Zuschlag nicht allein aufgrund des Preises erteilt werden.

Der Auftraggeber half den Rügen nicht ab. Die Antragstellerin stellte daraufhin einen Nachprüfungsantrag, der bei der Vergabekammer im Hinblick auf Rüge 3 und Rüge 6 erfolgreich war.

Die Vergabekammer verpflichtete den Auftraggeber, die Beigeladenen zu 1) und 2) vom Vergabeverfahren auszuschließen. Gegen den Beschluss legte die Beigeladene zu 1) sofortige Beschwerde beim Thüringer OLG ein.

 

Die Entscheidung

Das Thüringer OLG hält die Beschwerde der Beigeladenen für zulässig. Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg: Die Vergabekammer habe den Auftraggeber im Ergebnis zu Recht verpflichtet, die Beigeladene zu 1) auszuschließen.

Dabei stützt sich das OLG allerdings auf andere Gesichtspunkte als die Vergabekammer. Ob wegen der Konzernverbundenheit der Beigeladenen zu 1) und 2) tatsächlich ein Verstoß gegen den Geheimwettbewerb vorliege, lässt das Gericht dahingestellt. Der Vergabesenat hält bereits Rüge 1 für durchgreifend: Die Beigeladene sei nach § 19 EG Abs. 5 VOLA (fehlende Eignung) nicht zu berücksichtigen. Die Regelung in § 19 EG Abs. 5 VOL/A, nach der nur die Bieter zu berücksichtigen sind, die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erforderliche Eignungen besitzen, gelte auch im Verhandlungsverfahren ohne öffentlichen Teilnahmewettbewerb.

Der benannte Referenzgeber könne der Beigeladenen zu 1) entgegen der Angaben im Angebotsformular keine Referenz für die Beseitigung oder Verwertung der Sonderabfallkleinmengen geben.

Die Beigeladene hatte nachträglich ausgeführt, bei dem Referenzauftrag habe eine dritte Firma die endgültige Beseitigung vorgenommen. Diese sei für sie im Wege der Eignungsleihe tätig. Diese Angabe hielt das Thüringer OLG für eine nachträgliche und damit unzulässige Änderung des Angebotes.

Hintergrund war folgender:Aus den vom Auftraggeber übermittelten Unterlagen ging unmissverständlich hervor, dass Vertragsgegenstand auch die Verwertung der Sonderabfallmengen war. Dementsprechend wurden Referenzen für die Verwertung/Beseitigung der Sonderabfallkleinmengen gefordert. Die Unterlagen enthielten zudem den ausdrücklichen Hinweis, dass auch Referenzen von anderen Unternehmen angegeben werden konnten, wenn deren Mittel zur Erfüllung des Auftrages zur Verfügung stehen.

Die Beigeladene zu 1) habe mit dem Angebot eine Erklärung abgegeben, in der ein bestimmter Referenzgeber auch für die Verwertung und die Beseitigung der Abfälle benannt wurde. Sie habe sinngemäß erklärt, dass die Endentsorgung der Abfälle durch sie selbst und nicht durch die Einschaltung anderer Unternehmen erfolgen werde, da solche anderen Unternehmen nicht benannt wurden.

Im Laufe des Nachprüfungsverfahrens übermittelte die Beigeladene zu 1) ein Referenzschreiben des benannten Auftraggebers, das sich nur auf die Sammlung der Abfälle bezog. Die Beigeladene hat im Beschwerdeverfahren vorgetragen, die Verwertung der Sonderabfallkleinmengen werde nicht ausdrücklich benannt, da seinerzeit ein zentraler Träger für die Sonderabfallentsorgung zuständig gewesen sei. Nachdem die Andienungspflicht entfallen sei, beabsichtige er die Abfälle durch die GmbH, die ehemals zentraler Träger war, als Subunternehmer entsorgen zu lassen. Die GmbH sei sowohl Nachunternehmer als auch ein Unternehmen im Sinne des § 7 EG Abs. 9 VOL/A (Eignungsleihe).

In der mündlichen Verhandlung erklärte die Beigeladene, dass kein Nachunternehmereinsatz geplant gewesen sei, sondern lediglich ein Know-how-Transfer. Nachweisrechtlich stelle das Sonderabfallzwischenlager der Beigeladenen zu 1), das zunächst genutzt werden solle, eine Abfallentsorgungsanlage dar.

Das OLG Jena hält diese nachträglichen Ausführungen für nicht relevant. Aus dem Angebotsformular gehe hervor, dass sich die Referenz nicht allgemein auf die Entsorgung der Sonderabfallkleinmengen beziehen sollte, sondern auf die drei genannten Einzelbereiche, also auch die endgültige Entsorgung, worunter eine Zwischenlagerung nicht falle.

Unter dieser Maßgabe war die Angabe der Beigeladenen im Angebotsformular, sie habe Abfälle verwertet/beseitigt unzutreffend.

Die späteren Angaben stellten keine Beseitigung einer Unklarheit oder eine Vervollständigung einer lückenhaften Angabe dar, sondern beinhalten einen anderen Entsorgungsweg. Eine Änderung unzutreffender Angaben sei auch durch eine Nachforderung nicht heilbar, so das OLG. Der Vergabestelle sei es auch in einem Verhandlungsverfahren verwehrt, dem Bieter die Möglichkeit einzuräumen, fehlende Eignungsnachweise nachzureichen, wenn er diese mit dem Angebot gefordert hat.

Maßgeblich ist nach Auffassung des OLG Jena, dass die Beigeladene zu 1) im Angebotsformular unzutreffende Angaben über den Entsorgungsweg gemacht hat.

 

Praxishinweise

In der Praxis machen viele Bieter Fehler im Bereich der Angaben zu Nachunternehmern und zur Eignungsleihe. Zwischen den Eignungsanforderungen und den Angaben zum Angebot – hier zum Entsorgungsweg – ist zu unterscheiden. Die Eignung muss allerdings für die konkrete Durchführung des Auftrages nachgewiesen werden. Bieter müssen die Anforderungen in den Vergabeunterlagen genau prüfen. Beruft der Bieter sich im Angebot auf eigene Referenzen, kann er im Nachhinein davon nicht mehr abweichen. Bei der vorliegend ausgeschriebenen Entsorgung von Sonderabfallkleinmengen dürfte es aufgrund der unterschiedlichen Entsorgungswege für verschiedene Abfälle nicht unüblich sein, dass ein Unterneh-men, bei einem Referenzauftrag nicht alle Abfälle auch tatsächlich selbst entsorgt hat. Dies müsste dann in einem Fall, wie er der Entscheidung des OLG Jena zugrunde lag, kenntlich gemacht werden.

Auftraggeber sind gut beraten, möglichst klare Anforderungen in den Vergabeunterlagen zu definieren und klarzustellen, ob tatsächlich Referenzen für die Endentsorgung erforderlich sind. Hält ein Bieter die Anforderungen der Vergabestelle für zweifelhaft oder über das Erforderliche hinausgehend, sollte er Zweifel durch Bieterrückfragen vor Angebotsabgabe klären.