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22.06.2015

§ 11 Abs. 1 KrWG verpflichtet zur Getrenntsammlung von Bioabfällen ab 2015 – allerdings nur soweit dies zur Erfüllung der Anforderungen nach § 7 Abs. 2 bis 4 und § 8 Abs. 1 KrWG (kurz: Verwertungsanforderungen) erforderlich ist. Diese Einschränkung wird in der Diskussion gern übersehen. Öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger (örE) haben bei der Prüfung, ob sie zur Einführung einer Getrenntsammlung von Bioabfällen verpflichtet sind, durchaus Beurteilungsspielräume. Dass eine Getrenntsammlung verpflichtend einzuführen ist, ist keineswegs zwangsläufiges Ergebnis.

Häufig wird allerdings angeführt, das Erfordernis einer stofflichen Verwertung der Bioabfälle mache eine Getrenntsammlung notwendig. Dass der Bioabfall stofflich zu verwerten sein soll, wird dabei aus der Abfallhierarchie hergeleitet, innerhalb derer das Recycling der energetischen Verwertung vorgeht. Eine so große Bedeutung kommt der Abfallhierarchie jedoch nicht zu. § 8 Abs. 1 Satz 1 KrWG stellt im Ergebnis nur darauf ab, was den Schutz von Mensch und Umwelt am besten gewährleistet. Die Abfallhierarchie hat nur die Wirkung, dass die größere Umweltverträglichkeit einer in der Hierarchie vorrangigen Maßnahme vermutet wird. Es ist aber der Nachweis möglich, dass eine nach der Abfallhierarchie nachrangige Maßnahme die bessere Umweltoption ist. Das kann je nach dem Verfahren für den Umfang mit getrennt gesammelten Bioabfällen einerseits und gemeinsam mit dem Restabfall behandelter Organik andererseits durchaus die gemeinsame Behandlung mit dem Restabfall sein. Bei der Bewertung steht dem örE ein Beurteilungsspielraum insbesondere bei der Klärung wesentlicher Vorfragen für die Umweltbetrachtung zu. Der örE ist z. B. nicht etwa verpflichtet, seiner Prüfung eine Behandlung des getrennten Bioabfalls im Wege der Vergärung mit Nachnutzung der Gärprodukte statt einer Kompostierung, wie sie in Deutschland weit verbreitet praktiziert wird, zugrunde zu legen.

Des Weiteren wird häufig angeführt, nur eine stoffliche Verwertung des Bioabfalls sei eine hochwertige Verwertung. Dies trifft aber nicht zu. Die Begriffe „hochwertig“ und „stofflich“ sind nicht gleichzusetzen. Erst nach der Entscheidung darüber, ob stofflich oder energetisch verwertet wird, kommt nach der Gesetzessystematik die Hochwertigkeit – übrigens keine konkrete Rechtspflicht - ins Spiel. Beim Hochwertigkeitsgebot geht es nicht um die Auswahl zwischen stofflicher und energetischer Verwertung, sondern darum, einer energetischen Verwertung mit schlechtem Feuerungswirkungsgrad oder einem sog. Downcycling beim Recycling entgegenzuwirken. Auch gebietet die Heizwertklausel nach § 8 Abs. 3 Satz 1 KrWG keine stoffliche Verwertung des Biomülls. Wenn der Heizwert niedriger als die dort vorgesehenen 11.000 Kilojoule liegt, darf dennoch energetisch verwertet werden, wenn dies den Schutz von Mensch und Umwelt am besten gewährleistet.

Schließlich ist der örE, wenn er eine Getrenntsammlung einführt, auch keineswegs gezwungen, einen Anschluss- und Benutzungszwang hierfür festzuschreiben. Das gilt trotz ggf. fehlender Möglichkeit, jegliche Bioabfälle eigenzukompostieren, weil eine Pflichtbiotonne allein hierfür unverhältnismäßig wäre.

WMRC Rechtsanwälte berät örE in verschiedenen Bundesländern zur Frage der Getrenntsammlungspflicht und zur Durchführung des hierfür erforderlichen Umweltvergleichs. Rechtsanwältin Dr. Hildebrandt hat hierzu gemeinsam mit Herrn Dr. Wiegel, Ingenieurconsulting Umwelt und Bau, Berlin, einen Artikel in der Zeitschrift Müll und Abfall (Heft 11/2014, S. 588 ff.) veröffentlicht und im Mai auf der Tagung Waste-to-Resources, 6. Internationale Tagung MBA, Sortierung & Recycling einen Vortrag zu den bestehenden Spielräumen gehalten.