07.09.2020
Mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 21.11.2019 (Az.: M 17 K 17.5282) hat das VG München einen Bescheid der Regierung von Oberbayern bestätigt, der den Landkreis Altötting zur Getrenntsammlung von Bioabfall verpflichtet. Die Berufung war wegen eines Formfehlers des Landkreises nicht zugelassen worden.
Gesetzliche Ausgangslage
Nach § 11 Abs. 1 KrWG sind überlassungspflichtige Bioabfälle spätestens seit 01.01.2015 getrennt zu sammeln, soweit dies zur Erfüllung der Verwertungsanforderungen erforderlich ist. Das ist, zusammenfassend gesprochen, dann der Fall, wenn die Getrenntsammlung die ökologisch vorteilhafteste Variante ist. Eine Ausnahme gilt, wenn die Getrenntsammlung wirtschaftlich unzumutbar ist.
Landkreis Altötting: Mehrkosten gegenüber Umweltnutzen unverhältnismäßig
Der Landkreis Altötting sah sich über die bereits etablierte Grünschnittsammlung hinaus nicht zur Getrenntsammlung von Bioabfall verpflichtet. Er hatte diese zwar als ökologisch vorteilhaft eingestuft, hielt die Mehrkostenbelastung im Verhältnis zur geringen Umweltentlastung (um ca. 9 bis 16 %) allerdings für unverhältnismäßig und außerdem auch unabhängig vom Umweltnutzen für unzumutbar. Der Landkreis war in verschiedenen Szenarien zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der Gesamtgebührenhaushalt schlimmstenfalls um 99,1 % erhöhen, also nahezu verdoppeln würde.
VG: Getrenntsammlung zur Erfüllung der Verwertungsanforderungen (generell!) erforderlich
Das Verwaltungsgericht hielt die Getrenntsammlung des Bioabfalls für erforderlich. Es zog hierfür erstaunlicherweise nicht das Prüfungsergebnis des Landkreises heran, der ja selbst die ökologische Vorteilhaftigkeit im konkreten Fall bejaht hatte. Vielmehr wies es nur allgemein darauf hin, dass das Recycling nach der Abfallhierarchie höherwertiger sei als die energetische Verwertung und dass mit einer hochwertigen Verwertung der Bioabfälle in Form des Recyclings sowohl das energetische Potential als auch die stofflichen Eigenschaften genutzt werden könnten. Voraussetzung für diese hochwertige Verwertung sei die getrennte Sammlung der Bioabfälle.
Dieser pauschalen Feststellung ist zu widersprechen. Ob die Getrenntsammlung zur Erfüllung der Verwertungsanforderungen erforderlich ist, hängt von der konkreten Situation vor Ort ab: Wie und mit welchen Umweltergebnissen werden die Bioabfälle verwertet, wenn nicht getrennt gesammelt wird? Wie stellt sich die Vergleichsvariante bei Getrenntsammlung dar? Indem der Gesetzgeber die Verpflichtung zur Getrenntsammlung von der Erforderlichkeit für die Erfüllung der Verwertungsanforderungen abhängig gemacht hat, hat er eine individuelle Prüfung gefordert. Eine hochwertige Mitverwertung von Bioabfällen mit dem Restabfall kann im Einzelfall durchaus einen größeren Umweltnutzen aufweisen als die Getrenntsammlung und nachfolgende Kompostierung. Zu widersprechen ist auch dem Argument, beim Recycling der Bioabfälle könne das stoffliche sowie das energetische Potential genutzt werden. Eine solche Kaskadennutzung durch Vergärung ist gesetzlich nicht gefordert und kann daher nicht der maßgebliche Vergleichsmaßstab sein.
VG: Strenger Maßstab an wirtschaftliche Unzumutbarkeit
Das Gericht legt auch einen denkbar strengen Maßstab an die wirtschaftliche Unzumutbarkeit an. Dem gesetzlichen Wortlaut nach kommt es darauf an, ob die mit der Getrenntsammlung verbundenen Kosten außer Verhältnis zu den Kosten stehen, die für eine gemeinsame Verwertung zu tragen wären (§ 1 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 4 KrWG).
Entgegen dem Wortlaut hält das Gericht diesen Kostenvergleich ausdrücklich nicht für maßgeblich, sondern nur die Kostensteigerung im Hinblick auf die Gesamtkostenbelastung des konkret betroffenen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers – auch diese aber nicht allein:
Es soll auch zu berücksichtigen sein, dass eine Mitteldeckung auch durch die Erhebung von Abfallgebühren erfolgt; hinsichtlich nicht umlegbarer Mehrkosten soll auch die sonstige Leistungsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers eine Rolle spielen. Außerdem wird im Ergebnis gefordert, dass die neue Gebühr, d. h. das neue Gebührenniveau insgesamt, zu einer „gebührenrechtlichen Überforderung“ der privaten Haushalte führen würde.
Sämtliche Forderungen lassen sich aus dem Gesetzeswortlaut, der auf den Vergleich der Kosten mit und ohne Getrenntsammlung abstellt, nicht herleiten.
Ohne weitere Begründung hält das Gericht schließlich selbst eine Gebührenverdoppelung insgesamt nicht für unzumutbar. Nach diesem Maßstab dürfte eine Berufung auf wirtschaftliche Unzumutbarkeit in der Praxis ausgeschlossen sein.
Fazit
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist angesichts der Reichweite der Feststellungen recht oberflächlich begründet. Die offenen Fragen wurden leider keiner obergerichtlichen Klärung zugeführt. Ob andere Gerichte ebenso entscheiden würden, ist u. E. fraglich.