30.11.2016
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat mit Stand 31.08.2016 den Diskussionsentwurf für eine Unterschwellenvergabeordnung für den Lieferungs- und Dienstleistungsbereich vorgelegt. Inzwischen gibt es bereits einen neuen, noch unveröffentlichten Stand.
Seit 18.04.2016 gilt oberhalb der EU-Schwellenwerte ein modernisiertes Vergaberecht (siehe hierzu die Artikel „Neues Vergaberecht in Kraft“, „Vergaberechtsmodernisierung – Kabinettsfassung der Vergabeverordnung liegt vor“ und „Entwurf des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes vom Bundeskabinett beschlossen“). Im Zuge der Modernisierung wurden die VOL/A-EG sowie die VOF abgeschafft. Die Detailregelungen zur Vergabe sind nunmehr in der Vergabeverordnung enthalten, die allerdings nur in einigen übergeordneten Bereichen (z. B. Umgang mit Interessenskonflikten, Regelung Besonderer Methoden und Instrumente im Vergabeverfahren) für Bauvergaben gilt. Für diese ist im Übrigen noch die VOB/A, 2. Abschnitt, jetzt mit der Bezeichnung VOB/A-EU, erhalten geblieben. Die Regelungen zur Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen in der VgV und zur Vergabe von Bauleistungen in der VOB/A-EU sind zwar nicht identisch, jedoch schon deutlich angeglichen.
Das Vergaberecht unterhalb der Schwellenwerte war von der Reform nicht berührt. In deren Folge wurde jedoch Anpassungsbedarf geprüft und nunmehr der Entwurf einer Unterschwellenvergabeordnung vorgelegt. Sie soll für Liefer- und Dienstleistungsaufträge gelten und die VOL/A ersetzen.
Grundsätzlich wird das Ziel verfolgt, die Unterschwellenvergabeordnung Anfang 2017 im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Sie gilt dann nicht automatisch, sondern im Bund und in den einzelnen Ländern müssen Anwendungsbefehle z. B. in den Haushaltsordnungen oder Landesvergabegesetzen oder in Verwaltungsvorschriften erlassen werden.
Die Unterschwellenvergabeordnung orientiert sich sehr deutlich an der oberhalb der Schwellenwerte geltenden Vergabeverordnung (siehe hierzu den Artikel „Vergaberechtsmodernisierung – Kabinettsfassung der Vergabeverordnung liegt vor“). Dies gilt sowohl für den grundsätzlichen Aufbau als auch für wesentliche inhaltliche Fragen. Teilweise begnügt sich die Unterschwellenvergabeverordnung auch mit Verweisen auf das oberhalb der Schwellenwerte geltende Vergaberecht, z. B. auf einzelne Vorschriften des GWB. Hierfür hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie als Entwurfsverfasser sich dann entschieden, wenn es um bloße „Angebote“ an die Auftraggeber ging, die nicht in der täglichen Vergabepraxis eine Rolle spielen (etwa für besondere Ausnahmen vom Vergaberecht), bei zu ausführlichen Detailregelungen wie den technischen Vorgaben für die E-Vergabe sowie bei sehr ausführlichen Vorschriften, die mehr oder weniger 1:1 übernommen werden sollten, etwa § 132 GWB zu Auftragsänderungen und §§ 123 – 125 GWB zu Ausschlussgründen.
Der Entwurf vom 31.08.2016 sah vor, dass die Unterschwellenvergabeordnung auch für die Vergabe freiberuflicher Leistungen gilt. Die VOL/A klammerte diese bislang aus. Zwar sollte für freiberufliche Leistungen eine Verhandlungsvergabe möglich sein (bislang als freihändige Vergabe bezeichnet, künftig aber detaillierter geregelt). Bei der Vergabe freiberuflicher Leistungen, die nach einer verbindlichen Gebühren- oder Honorarordnung, wie der HOAI, abgerechnet werden, darf der Auftraggeber die Verhandlung auf ein Unternehmen beschränken. Dennoch wäre die Vergabe freiberuflicher Leistungen damit wesentlich mehr Regelungen unterworfen gewesen als bislang. Nunmehr ist eine Regelung Diskussionsstand, nach der freiberufliche Leistungen grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben sind.
Bislang stellte sich bei Sachverhalten, für die oberhalb der Schwellenwerte Ausnahmen vom Vergaberecht bestanden, wie z. B. beim Inhouse-Geschäft, stets die Frage, ob dies auch unterhalb der Schwellenwerte gilt. Die Unterschwellenvergabeordnung übernimmt in § 1 Abs. 2 des Entwurfs die wesentlichen Ausnahmen aus den GWB auch für den Bereich unterhalb der Schwellenwerte.
Ebenso wie im Bereich oberhalb der Schwellenwerte das offene und nicht offene Verfahren zur freien Wahl zur Verfügung stehen, soll unterhalb der Schwellenwerte zwischen öffentlicher Ausschreibung und beschränkter Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb frei gewählt werden können (§ 8 Abs. 2 des Entwurfs).
Die Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen Aufträge im Wege der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden dürfen, wurden lange diskutiert. Der Katalog stellt eine Mischung aus den Ausnahmegründen nach der Vergabeverordnung sowie der VOL/A, 1. Abschnitt, dar. Aufgrund der bisherigen Diskussionen sind hier u. U. noch Änderungen zu erwarten. Während für die freihändige Vergabe bislang keine Detailregelungen vorliegen, sieht die Unterschwellenvergabeordnung eine Regelung zur Durchführung der Verhandlungsvergabe vor. So sind bei einer Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb mehrere, grundsätzlich mindestens drei Unternehmen zur Abgabe eines Angebots oder zur Teilnahme an Verhandlungen aufzufordern. In bestimmten Fällen darf der Auftraggeber sich auf ein Unternehmen beschränken.
§ 14 des Entwurfs sieht die Möglichkeit eines Direktauftrags bei Auftragswerten bis zu 1.000 € netto vor (bislang nach der VOL/A „Direktkauf“ bis 500 € netto). Auch diese Regelung gehört – was die Höhe des Auftrags betrifft – zu den umstrittenen Regelungen und könnte sich noch ändern.
Für die Durchführung der Vergabe sind sehr viele der strengeren Regelungen aus dem Bereich oberhalb der Schwellenwerte im bisherigen Entwurf übernommen worden. So soll der Auftraggeber Mindestanforderungen an Nebenangebote in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festlegen und die Gewichtung der Zuschlagskriterien vorab bekannt geben müssen. Im Entwurf ist bislang auch die zwingende sofortige elektronische Bereitstellung der Vergabeunterlagen und generell – mit Übergangsfristen – die E-Vergabe festgeschrieben. Die kommunalen Spitzenverbände kritisieren derartige Verschärfungen und fordern nachdrücklich, hiervon abzurücken.
Mit einer mit allen Bundesressorts und den Ländern abgestimmten Fassung wird für das erste Quartal 2017 gerechnet. Sodann bedarf es jeweils eines Anwendungsbefehls der einzelnen Bundesländer. Theoretisch denkbar ist, dass die einzelnen Bundesländer in ihren Anwendungsbefehlen teilweise von den Regelungen der Unterschwellenvergabeordnung abweichen, gerade im Bereich der besonders umstrittenen Regelungen. Daher kann erst mit Erlass der Anwendungsbefehle sicher beurteilt werden, welche Regelungen für die Unterschwellenvergabe im jeweiligen Bundesland gelten werden.